Erinnern Sie sich noch an den 3. Juni 2020? „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen“, verkündete der heutige Kanzler und damalige Finanzminister Olaf Scholz angesichts der Corona-Rezession. Ein Wumms allein genügt jetzt nicht mehr. Der „Doppel-Wumms“ aus Strom- und Gaspreisbremse solls diesmal richten. „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“ — möchte man da mit Goethes Faust entgegnen. Von Frank Pöpsel
Was ist eine Bremse? „Eine Bremse ist ein Mechanismus zur Verringerung beziehungsweise Begrenzung der Geschwindigkeit von Fahrzeugen“, heißt es auf Wikipedia. In einer Marktwirtschaft lassen sich Preise aber nur durch einen einzigen Mechanismus „bremsen“: ein höheres Angebot.
In Zauberlehrling-Manier suggeriert Scholz den Verbrauchern, er habe einen anderen Weg entdeckt: Der Staat deckelt die Preise. Dass es sich dabei um einen Taschenspielertrick nach dem Motto „Von der linken in die rechte Tasche“ handelt, sagt er nicht. Der Staat nimmt 200 Milliarden Schulden zulasten der Bürger auf, um das Geld, das deren Kinder irgendwann zurückzahlen müssen, heute den Bürgern in Form eines Strom- und Gaspreisdeckels zur Verfügung zu stellen. Die Schulden nennen er und sein Finanzminister „Sondervermögen“ — George Orwells Neusprech lässt grüßen.
„Im Kern sind die Maßnahmen eine marktwidrige, künstliche Senkung der Endverkaufspreise durch temporäre Subventionen“, urteilt die „Neue Zürcher Zeitung“ zu Recht. Am Gas- oder Stromangebot, das auf Dauer die Preise senken könnte, ändert sich dadurch nichts.
Natürlich sind die Maßnahmen auch „inflationstreibend“, wie Ifo-Chef Clemens Fuest kritisiert. Doch als vorübergehende Hilfsmaßnahme hätten sie — ähnlich wie bei Corona — durchaus ihren Sinn.
Anders als bei Corona gibt es für Strom- und Gaspreise aber kein Impfmittel. Nicht Biontech kann helfen, sondern nur Atomkraft, vielleicht auch Kohlekraft und Fracking. Wir müssen mehr Strom erzeugen, damit der Strompreis auf Dauer sinkt, und Fracking-Gas in Deutschland fördern, damit Gas auch in Zukunft bezahlbar bleibt. Ob ich das schön finde? Nein. Ob uns nichts anderes übrig bleibt? Ja.
Fracking in Deutschland könnte nach Schätzungen die russischen Gaslieferungen für 40 Jahre ersetzen. Würden wir heute beschließen, diese Reserven zu erschließen und so lange zu nutzen, bis die Energiewende gelungen ist, ließen sich die Kosten für die Deckelung durch einen Aufschlag auf den Gaspreis finanzieren. Denn Gas aus Deutschland wäre nicht nur deutlich klimafreundlicher als Flüssiggas aus aller Welt, sondern auch unschlagbar billig. „Wenn die entsprechenden Förderanlagen zur Verfügung stehen, dauert es zwei Monate, diese Anlagen einsatzbereit zu bekommen, nach weiteren zwei Monaten könnte das erste Gas gefördert werden“, so Andreas Hagedorn, Vorsitzender des Berufsverbands Deutscher Geowissenschaftler. Und die Atomkraftwerke müssten wir einfach nur für einige Jahre weiterlaufen lassen.
Bleibt als Fazit: Der Energiepreisdeckel ist nur sinnvoll, wenn gleichzeitig das Energieangebot massiv ausgebaut wird. Sonst verbrennt er als Taschenspielertrick nur sinnlos Milliarden, um Wählerstimmen zu kaufen.
Dieses Editorial vom Geschäftsführenden Chefredakteur Frank Pöpsel erschien zuerst im BÖRSE ONLINE-Magazin.