Als Anleger konnte man im ersten Halbjahr fast überall am Kapitalmarkt Gewinne machen, außer bei fast zinslosen Bankeinlagen. Zwar lagen die Gewinne, nicht gerade üppig, überwiegend nur im einstelligen Bereich, aber es ging aufwärts, ob bei Aktien oder Anleihen, ob bei Rohstoffen oder Edelmetallen.
Anleihen schnitten paradoxerweise sogar besser ab als Aktien, und das bei Renditen, die in Deutschland für 10-jährige Bundesanleihen inzwischen bei mickrigen 1,25 Prozent angelangt sind.
Dabei entwickelten sich Anleihen der Euro-Schuldnerstaaten noch am besten, wie etwa 10-jährige italienische Staatsanleihen, deren Rendite von 4,2 Prozent auf 2,8 Prozent fiel - den tiefsten Stand ihrer Geschichte! Sind das etwa Vorschusslorbeeren für den jungen Heilsbringer Italiens, den neuen Ministerpräsidenten Renzi, der das Land von Kopf bis Fuß erneuern will? Es sei daran erinnert, dass italienische Politiker schon immer großmäulige Reformversprechen gemacht haben, aber ohne Ausnahme die Einlösung schuldig blieben.
Auf Seite 2: Run auf die Anleihen ist ein Alarmsignal
Der Run auf höher verzinste Risiko-Anleihen der südeuropäischen Schuldnerstaaten ist für die Bundesbank ebenso wie nun auch für die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ein Alarmsignal. Zu Recht. Allein im ersten Halbjahr wurden in Europa Schrottanleihen mit hohem Ausfallrisiko im Volumen von 100 Milliarden Dollar emittiert, mehr als im Gesamtjahr 2013!
Mir scheint, dass institutionelle Anleger - also Hedgefonds, Banken und Versicherungen - nichts aus der katastrophalen Finanzkrise ab 2007 gelernt haben, als Ramschanleihen das Weltfinanzsystem an den Rand des Kollapses brachten. Oder ist ihr Kalkül, dass natürlich die Schulden der Peripherieländer nicht zurückgezahlt werden, sondern von der EZB - und letztlich von deutschen und anderen braven Steuerzahlern? Jedenfalls ist zu befürchten, dass die spekulative Blase in Anleihen in der zweiten Jahreshälfte platzen könnte. Auf der anderen Seite dürften die Aktienbörsen nach ihrer Verschnaufpause wieder Aufwind bekommen.
Auf Seite 3: Warum wir eine nahezu ideale Konstellation für die Aktienbörsen haben
Das weltweite Wirtschaftswachstum wird nur mäßig zunehmen und das ist bei extrem niedrigen Zinsen und bei üppiger Liquidität der Kapitalmärkte eine nahezu ideale Konstellation für die Aktienbörsen.
Hinzu kommt ein zweiter Aspekt: Das dumme Gerede von einer drohenden Deflation wird verstummen und stattdessen kommt zunehmend die Inflation ins Blickfeld. Voraussichtlich haben die Inflationsraten weltweit ihre Tiefpunkte erreicht. Dafür spricht nicht nur die bessere Konjunktur, sondern vor allem der in den letzten Wochen erfolgte deutliche Dreh bei den Energie- und Rohstoffpreisen. So ist der CRB-Rohstoffpreisindex im ersten Halbjahr um 10 Prozent gestiegen. Benzin, Heizöl und Gas werden nicht länger die Inflationsrate drücken, sondern steigern. Auch die höheren Lohnzuwächse werden relativ schnell ihren Weg in die Verbraucherpreise finden. Die unvernünftige Rentenreform und die Mindestlohn-Gesetze der Bundesregierung wirken ebenfalls inflationär - nicht sofort, aber mittelfristig. Ein leichter Anstieg der Inflationsraten aber ist Gift für Zinspapiere, während sie Aktien begünstigen. Im zweiten Halbjahr dürften deshalb Aktien gut laufen, während den Rentenmärkten, insbesondere der in den Euro-Südstaaten und von Firmen mit schwacher Bonität, der Abstieg droht.
Auf Seite 4: Was Anleger in der zweiten Jahreshälfte tun sollten
Anleger sollten sich in der zweiten Jahreshälfte im Allgemeinen von lang laufenden Anleihen fern halten und im Besonderen keine Ramschanleihen aus den EU-Problemstaaten mehr kaufen. Und bei Aktien? Auch hier dürften sich besonders Papiere aus Spanien, Italien und Frankreich unterdurchschnittlich entwickeln. Sie sind in den letzten Monaten zu sehr vorausgelaufen. Deutsche Aktien gehörten zwar im ersten Halbjahr mit einem mageren Plus von 3 % im DAX zu den Nachzüglern - aber die langfristig gefährliche, unsinnige Wirtschafts- und Sozialpolitik der Großen Koalition dürfte den Aufholeffekt auch zukünftig bremsen.
Viele Anleger, die schon in Aktien investiert sind, fragen sich jetzt nach einer 5-jährigen Hausse, ob es nicht Zeit ist, bald auszusteigen, und viele, die den Aktienaufschwung versäumt haben, ob es sich noch lohnt, einzusteigen. Denen sage ich, dass die Hausse noch eine ganze Zeit weitergehen wird. Wenn sie auf einen Crash warten, warten sie vergeblich. Die Bewertungen der Aktien sind zwar nicht mehr ganz billig, aber sie sind auch noch nicht zu teuer. Überdies hat es eine Euphorie an den Aktienmärkten bisher noch nicht gegeben, die meist eine Endphase einer Hausse anzeigt.
Auf Seite 5: Warum Aktien noch nicht zu teuer sind
Das Kurs-/Gewinn-Verhältnis (KGV) ist beim DAX bei knapp 14 und liegt damit noch etwa 15 Prozent unter seinem historischen Durchschnittswert von 16. Verglichen mit der Internetblase im Jahr 2000 stand das KGV des DAX bei 33, also mehr als doppelt so hoch.
Weltweit wird ein Wachstum der Unternehmensgewinne von 10 bis 15 Prozent erwartet. Das gibt sowohl gesehen von der Bewertung als auch der Unternehmensgewinne genug Spielraum für weitere Kurssteigerungen.
Die Aktien der Industrieländer sind in den letzten Jahren deutliche stärker gestiegen als die der Schwellenländer. Der MSCI Emerging Markets ist mit einem KGV von 11 heute rund 30 Prozent billiger als der MSCI World (Industrieländer) mit gut 15.
China ist mit einem KGV von nur 8 eines der billigsten Schwellenländer. Weitere attraktiv bewertete Schwellenländer sind Brasilien, Korea, Polen, Russland.
Auf Seite 6: Wie Anleger ihr Depot strukturieren sollten
Natürlich sind die Aktienbörsen nach einer 5-jährigen Aufschwungphase heute schwankungsanfälliger. Daher empfiehlt es sich, ein besonders strukturiertes Depot mit Sicherheitsnetz zu erstellen, wie in meinem Buch "Der einfache Weg zum Wohlstand" dargestellt:
- International (nicht nur in Deutschland!) investieren - das erhöht die Rendite und senkt das Risiko
- Langfristig überlegene Aktienklassen (Value-Aktien und Nebenwerte) übergewichten - das steigert die Rendite und Dämpft zusätzlich das Risiko
- Dividendentitel bevorzugen.
Es gibt aber auch Krisenherde, die in den Sommermonaten zu Schwankungen führen könnten. An erster Stelle sei die schwelende Krise in der Ukraine genannt, aber auch die kriegerische Entwicklung im Irak und neue Spannungen in Nahost. Auch die Unsicherheit über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung in den USA und in England dürfte immer wieder nervöse Reaktionen an den Börsen auslösen.
Aber gerade der noch immer fragile Zustand der Weltwirtschaft und des Finanzsystems wird die Notenbanken zu erhöhter Wachsamkeit und zu einer weiterhin lockeren, expansiven Geldpolitik veranlassen.
Auf Seite 7: Fazit
Da die Inflation zunehmend in den Fokus kommen wird, sind Engagements in Rentenpapieren gefährdet und Engagements in Aktien als Inflationsschutz zwingend. Rücksetzer an den Börsen sollten nicht zum Verkauf aus Angst, sondern als Chance zum Einstieg genutzt werden.
Gottfried Heller ist Senior Partner der FIDUKA-Depotverwaltung in München und gilt als einer der besten Kenner der internationalen Finanzmärkte.