Wenn Sie eine Ansammlung von Menschen vor dem Rathaus Ihrer Stadt oder auf dem Marktplatz sehen, die stumm nebeneinanderstehen und dabei unentwegt auf ihr Smartphone starren - keine Angst, diese Leute sind nicht verrückt, sie spielen vermutlich "Pokémon Go". Bei diesem für die Betriebssysteme iOS und Android entwickelten Onlinespiel handelt es sich nämlich um ein "Location-based Game", das auf dem Prinzip der "Augmented Reality" basiert. Das heißt, es verbindet Objekte der realen Welt mit der virtuellen Spielwelt.
Was einst als Nischenmarkt abgetan wurde, entwickelt sich mittlerweile zu einem der explosivsten Trends unserer Zeit, den man kaum ignorieren kann. Onlinespiele wie "Pokémon Go" oder "Fortnite" ziehen inzwischen weltweit ein gewaltiges Publikum an. Allein "Fortnite" hat in nur einem Jahr mehr als 125 Millionen Spieler für sich begeistern können. Haupttreiber sind die Schwellenländer, allen voran Asien. Hier stehen insbesondere Onlinespiele für große Massen von Spielern, sogenannte "Massively Multiplayer Online Games" oder kurz MMOs, hoch im Kurs. Dabei handelt es sich um Spiele wie "League of Legends" oder "Honor of Kings", bei denen eine große Anzahl von Spielern überall auf der Welt verteilt gegeneinander antreten.
China ist mittlerweile der weltweit größte Markt für Onlinespiele, und die Umsätze der Branche lagen 2017 bereits bei rund 33 Milliarden Euro. 15 Prozent ihrer Freizeit verbringen die Chinesen durchschnittlich in der virtuellen Spielewelt. Diesen immensen Zuwachs hat die Branche vor allem den Smartphones zu verdanken, die immer günstiger werden bei gleichzeitig ausgereifterer Hardware. Damit kommen die Spieler in den Genuss besserer Grafiken und Spielerlebnisse, ohne in teure Konsolen oder PCs investieren zu müssen.
Kein Wunder also, dass der Umsatz mit mobilen Spiele-Apps für 2020 weltweit bereits auf knapp 75 Milliarden US-Dollar prognostiziert wird - doppelt so hoch wie 2015. Bis 2020 werden Smartphones geschätzt 40 Prozent des weltweiten Onlinespiele-Markts für sich beanspruchen. Das Interessante daran: Spiele-Apps basieren in der Regel auf dem chinesischen "Freemium"-Prinzip. Dabei ist die App an sich kostenlos, während die Umsätze über sogenannte In-App-Käufe generiert werden. Allein in Asien sorgten kostenlose MMO-Spiele 2016 für geschätzte 11,2 Milliarden US-Dollar Umsatz. Kostenpflichtige Spiele kamen im selben Jahr hingegen auf nur 1,4 Milliarden US-Dollar. Was außerdem für einen anhaltenden Boom der Onlinespiele-Welt spricht: Große technologische Fortschritte werden bereits auf den Weg gebracht. So arbeiten Halbleiterhersteller an der nächsten Hardwaregeneration. Der nächste Schritt ist hier die Entwicklung einer erweiterten oder virtuellen Realität für mobile Endgeräte.
Ein anderes Phänomen der Onlinespiele-Welt ist die Tatsache, dass sie zu einem echten Zuschauersport mutiert. Plattformen wie Youtube, Amazons Twitch und in China die zu Tencent gehörende Douyu haben das Image von sogenannten E-Sports - den sportlichen Computerspiele-Wettkämpfen - auf ein bisher nicht dagewesenes Niveau gehoben. Das "League of Legends"-Finale 2017, das im Nationalstadion von Peking ausgetragen wurde, haben weltweit 57,6 Millionen Menschen verfolgt.
E-Sports waren 2018 zum ersten Mal auch bei den panasiatischen Spielen vertreten. Und es wird ernsthaft darüber diskutiert, ob sie 2024 auch Teil der Olympischen Spiele in Paris werden sollen. Man darf folglich damit rechnen, dass in Zukunft das Sponsoring wie bei anderen globalen Sportarten stark wachsen wird. Insgesamt hat der Onlinespiele-Umsatz in den letzten Jahren stetig zugenommen: 2017 um 18,1 Prozent. Und der Boom der Industrie zeigt, wie schnell sich vermeintliche Schwellenländer im Mittelpunkt einer technologiegetriebenen "New Economy" wiederfinden.
Über den Autor: Kim Catechis
Catechis hat einen MBA der University of Stirling sowie einen BA in Französisch und Deutsch. Seit 2010 ist er bei der Legg-Mason-Tochtergesellschaft Martin Currie und dort Head of Global Emerging Markets. Er ist seit 1987 als Portfoliomanager tätig. Legg Mason kann auf eine lange Geschichte bis in das Jahr 1881 zurückblicken. Die Tochtergesellschaft Martin Currie ist auf aktive internationale Aktienanlagen spezialisiert.