In den USA geht bereits heute das Inflations-Gespenst um: Die Verbraucherpreise stiegen dort zuletzt zum Vorjahresmonat um 4,2 Prozent. Zwar hinkt der Vergleich ein wenig, da es sich hier um den Vergleich des ersten Lockdown-Monats 2020 mit der zu alter Stärke zurückfindenden US-Wirtschaft im April 2021 handelt, doch sollten Anleger gewarnt sein. Auch in Europa könnte sich der Konsumstau nach der Pandemie treibend auf die Preise auswirken. Hinzu kommt die Knappheit wichtiger Grundstoffe: Holz, Baumaterial - all diese Güter sind bereits teurer geworden. Wenn jetzt die Konsumenten auch noch die neu gewonnene Freiheit feiern, könnte das den Preisen einen zusätzlichen Schub geben. Ob eine höhere Inflation allerdings auch längerfristig anhalten wird, ist maßgeblich vom Arbeitsmarkt abhängig. Wenn sich die Arbeitslosenquote stärker reduziert und die Arbeitslöhne stärker steigen, besteht dieses Risiko.
Inflation könnte Eigendynamik erlangen
Kurzfristig besteht aufgrund der Haltung der Notenbanken in der Inflations-Frage aber kein Grund zur Sorge. Sowohl die US-Notenbank Fed als auch die europäische EZB haben bereits signalisiert, das ehemals starre Inflationsziel von zwei Prozent künftig als Spanne interpretieren zu wollen. Konkret heißt das: Ein kurzfristiges Überschießen der Teuerung ist für die Währungshüter kein Problem. Angesichts des arg gebeutelten Dienstleistungssektors und einigen Unternehmen in Schieflage dürfte diese Strategie kurzfristig richtig sein. Langfristig besteht aber das Risiko, dass die Inflation eine Eigendynamik erlangt und die Notenbanken zeitweise nicht mehr in der Lage sind, die Teuerung mit milden Mitteln wieder einzufangen.
Müssten die Notenbanker zu harten Maßnahmen greifen, wären neben den niedrigen Zinsen auch die Aufkaufprogramme für Anleihen in Gefahr. Die Rückführung der zahlreichen Anleihen aus der Bilanz der Notenbanken würde darüber hinaus den Anleihemarkt belasten und könnte für Kursverluste sorgen. Allen Zinspapieren mit mittlerer und langer Duration drohen angesichts dieses möglichen Szenarios stärkere Kursverluste, welche automatisch eine höhere Verzinsung bedeuten würden. Eine wiederum höhere Zinslast bei den aktuellen Staatsschulden sollte zum Umdenken in der Fiskalpolitik führen und wäre dementsprechend Gift für die Kapitalmärkte.
Auch der Aktienmarkt könnte leiden. Etwa, wenn Anleger Risiken reduzieren müssen oder, wenn Titel aus Wachstumsbranchen angesichts der hohen Teuerungen vom Markt abgestraft werden. Dass Unternehmen, die ihre Gewinne eher heute als morgen einfahren, wie etwa klassische Industrietitel, aktuell beliebter sind als Technologie-Werte, lässt sich auch am Verlauf der Standardwerte-Indizes und des Tech-Index NASDAQ 100 in den vergangenen Wochen ablesen. Wird die Inflation real, könnte die jüngste Kursentwicklung nur ein Vorgeschmack auf das sein, was noch kommt.
Der Kapitalmarkt bietet weiterhin Chancen - Inflation hin oder her
Wie sollen sich Anleger also idealerweise positionieren? Neben Anleihen mit kurzer Duration bietet sich bei Aktien ein Übergewicht an klassischen Branchen an. Substanzwerte dürften in diesem Szenario gegenüber Wachstumswerten die Nase vorn haben. Auch bei kleineren Werten sollten Anleger aufpassen. Auch hier werden Umsätze eher morgen als heute erwirtschaftet - in einem inflationären Umfeld könnte das problematisch sein.
Doch sollten Anleger angesichts der steigenden Inflation schon heute den Markt verlassen? Keineswegs! Vor allem Aktien bieten als Sachwerte einen Inflationsschutz. Weiterhin gefragt dürften auch Immobilien und alternative Investments, wie etwa Infrastruktur, sein. Mit einem ausgewogenen und defensiv positionierten Portfolio können Anleger auch trotz der Inflations-Perspektive von den Entwicklungen am Markt profitieren. Der Aufschwung steht gerade erst am Anfang. Solche Marktphasen sind typischerweise von Volatilität geprägt. Wer sich schon heute entsprechend positioniert und für die nächsten Monate und Jahre mit Spar- beziehungsweise Investitionspläne seine Positionen ausbauen möchte, kann diese Volatilität gut aushalten und langfristig zu den Gewinnern gehören. Inflation hin oder her.
Nermin Aliti ist seit 2014 bei der LAUREUS AG PRIVAT FINANZ im Fonds Advisory tätig und seit September 2018 Leiter Fonds Advisory und Produktmanagement. Zuvor studierte der gelernte Bankkaufmann an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen Internationales Finanzmanagement, inklusive zwei Auslandssemester an der California State University of Fullerton. Die LAUREUS AG PRIVAT FINANZ ist ein Tochterunternehmen der Sparda-Bank West eG, einer der größten Genossenschaftsbanken Deutschlands mit über 100-jähriger Tradition. Das Finanzdienstleistungsinstitut aus Düsseldorf hat sich auf die individuelle und ganzheitliche Beratung vermögender Kunden spezialisiert. Weitere Informationen zur LAUREUS AG PRIVAT FINANZ finden Sie unter: www.laureus-ag.de