Ein neuer Krieg im Nahen Osten ist ein großes geopolitisches Risiko für die Ölpreise und dadurch auch für Inflation und Konjunktur. Nach einem ersten Kurssprung am Montag halten sich die Notierungen für Brent- und WTI-Öl abwartend auf hohem Niveau. Eine Eskalation in der Pulverfass-Region Richtung Iran und Libanon würde indes die Ölpreise explodieren lassen.
Die Situation in der Krisen-Region ist nicht trivial. Denn gleich mehrere große Öl-Player mischen mit eigenen Interessen mit. Niemand hat seine Karten auf den Tisch gelegt, lediglich Israel – das als Öl- und Gas-Produzent selbst keine große Rolle spielt – hat angekündigt, die Terror-Organisation Hamas im Gaza-Streifen zu bekämpfen.
In den vergangenen Tagen wurde immer wieder der Iran genannt, der beim Angriff auf Israel zumindest als Berater der Hamas im Spiel war bzw. ist. Laut mehreren Medienberichten (z.B. Wall Street Journal) soll der Iran den Angriff der Hamas unterstützt haben.
Der Iran ist ein bekennender Feind Israels (und der USA) und gehört gleichzeitig zu den zehn größten Ölförder-Nationen der Welt. Nach Angaben der UVP verfügt der Iran zudem über die drittgrößten nachgewiesenen Ölreserven der Welt sowie die zweitgrößten Erdgasreserven der Welt.
Noch vor wenigen Monaten schien sich die Situation zwischen den USA und dem Iran zu entspannen. So berichtete Bloomberg im August unter Berufung auf US-Beamte, dass die Durchsetzung der US-Sanktionen gegen Ölverkäufe aus dem Iran schrittweise gelockert wurde. Diese Lockerungen dürften höchstwahrscheinlich bald Geschichte sein. Randnotiz: Seit 2021 ist China durch ein 25-jähriges Handels- und Sicherheitsabkommen mit dem Iran verbandelt.
Straße von Hormus ist Nadelöhr
Iran liegt zudem an der Straße von Hormus – die wichtigste Schifffahrts-Route zwischen dem Persischen Golf und dem Golf von Oman. Ein Ausfall der iranischen Förderung oder gar die Sperrung würden die Ölpreise stark steigen lassen.
Selbst wenn der Iran nicht direkt in die Kämpfe zwischen Israel und Hamas eingreift, könnte es zu einer Verlangsamung der iranischen Ölexporte kommen, befürchtet Amarpreet Singh, Energieanalyst bei Barclays. Ein geringeres Angebot an Rohöl würde bei sonst gleichen Bedingungen zu einem Anstieg der Ölpreise führen.
Der Konflikt schadet auch den jüngsten Verbesserungen der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien, dem zweitgrößten Ölproduzenten der Welt. Laut Singh könnte Saudi-Arabien seine Bereitschaft, die Ölproduktion bald wieder zu erhöhen, wieder zurückziehen.
Es geht nicht nur um Rohöl
Auch Russland, drittgrößtes Ölland der Welt, hat seine Interessen im Spiel. Der Westen ist seit langem bestrebt, die zunehmende Kontrolle Chinas und Russlands über den schiitischen Halbmond zu stören (Libanon, Jordanien, Syrien, Irak und Jemen), die durch ihren Stellvertreter Iran ausgeübt wird.
Erst am 3. Oktober hatte sich eine westliche Koalition aus Frankreichs TotalEnergies und Italiens Eni sowie Qatar Energy um die zweite Lizenzierungsrunde für die Öl- und Gasblöcke 8 und 10 in libanesischen Gewässern beworben. Nur vier Tage später startete die palästinensische Hamas ihre Angriffe zu Lande, zu Wasser und aus der Luft gegen Israel.
Strom als 'neues Öl'
Der Westen hat zudem den schleichenden, von Russland und China geförderten Aufbau eines massiven überregionalen Stromnetzes mit dem Iran als Zentrum übersehen. Vor etwa zwei Wochen betonte die Internationale Energieagentur (IEA), dass solche riesigen Stromnetze sich zum 'neuen Öl' des globalen Energiesystems entwickeln werden.
Die Angriffe der Hamas auf Israel könnten durchaus weitere arabische Staaten in den Konflikt hineinziehen, der sich sogar zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland (und China) entwickeln könnte – zusätzlich zu dem in der Ukraine wütenden Krieg. Das letzte Mal, als es zu einem größeren Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten kam, brach die Ölkrise von 1973 aus, in deren Folge sich der WTI-Ölpreis sich mehr als verdreifachte – von etwa 3 US-Dollar pro Barrel auf über 11 Dollar.
Parallelen zum Ölpreis-Schock in den 70er-Jahren
Der Makrostratege der Deutschen Bank, Henry Allen, sieht in der aktuellen Situation durchaus Ähnlichkeiten zu der damaligen Zeit. "Wenn wir heute auf die 1970er Jahre zurückblicken, gibt es eine auffallende Anzahl von Parallelen zu unserer eigenen Zeit", schrieb er am vergangenen Montag in einer Notiz.
Ein lahmendes Wirtschaftswachstum und eine erdrückende, hartnäckige Inflation waren in den 1970er Jahren über weite Strecken der Status quo – nicht nur in den USA, sondern weltweit. Allan nannte gleich mehrere Gründe, warum er so besorgt ist – von der Gefahr eines neuen Ölpreis-Schocks bis hin zu wachsenden "Arbeitsunruhen" von Beschäftigten, die sich in Gewerkschaftsstreiks zeigen.
Ölpreise mit Aufwärtspotenzial
Die nach wie vor zu hohe Inflation erweist sich als hartnäckig. Steigende Ölpreise werden sie weiter befeuern. Daher sind weitere Zinserhöhungen der EZB nicht vom Tisch. Der österreichische Notenbank-Chef Robert Holzmann sieht noch ein bis zwei Zinsschritte, wenn "zusätzliche Schocks" auf die Wirtschaft zukommen. Wenn jedoch alles gut laufe, könne die Zinserhöhungsphase der Europäischen Zentralbank enden.
Am Dienstag sinken die Ölpreise wieder leicht. Die Nordsee-Rohölsorte Brent und die US-Sorte WTI verbilligen sich je um ein halbes Prozent auf 87,74 und 85,95 Dollar pro Barrel (159 Liter). Mutige Anleger können mit kleinem Einsatz mit einem Turbo-Call (z.B. WKN SW0J01) auf steigende Ölpreise setzen. (Mit Material von Reuters)
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