Die Erdölpreise haben in den vergangenen Tagen nach einem düsteren Ausblick der Internationalen Energieagentur (IEA) etwas nachgegeben. Die IEA warnt in ihrem Monatsbericht: "Wirtschaftsängste bestehen fort, da verschiedene internationale Institutionen kürzlich pessimistische Prognosen veröffentlicht haben."
Auch die Straffung der Zentralbankpolitik und die Auswirkungen eines stark steigenden US-Dollars und steigender Zinsen auf die Kaufkraft dürften auf die Öl-Notierungen drücken.
Am Aktienmarkt löst der Kampf vieler Zentralbanken gegen die hohe Inflation zunehmend Rezessionsängste aus. Eine wirtschaftliche Talfahrt würde sich auch in einem abnehmenden Rohöl-Verbrauch bemerkbar machen. Entsprechend empfindlich reagieren die Teilnehmer am Ölmarkt auf die vielerorts steigenden Leitzinsen.
Am Freitag-Vormittag kostet ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent knapp 120 US-Dollar. Der Preis für ein Fass der US-amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) notiert am Terminmarkt bei 114,50 Dollar.
Bei beiden Öl-Sorten ist der Aufwärtstrend seit Dezember intakt. Sollten sich indes Rezessionen in Westeuropa und/oder den USA abzeichnen, dürften die Ölpreise weiter abwärts tendieren. Zumal die OPEC-Staaten auch eine Fördermengen-Ausweitung bekannt gegeben haben.
Gaspreise steigen deutlich
Ganz anders sieht die Situation bei den Gaspreisen aus. Der russische Energiekonzern Gazprom hat seine Gaslieferungen nach Deutschland durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream um 60 Prozent reduziert. Russland hat zudem auch die Lieferungen an Italien, Frankreich, Österreich und Tschechien gesenkt. Polen, Bulgarien, Finnland, die Niederlande und Dänemark erhalten überhaupt kein Gas mehr aus Russland.
Die Lieferung von russischem Erdgas nach Frankreich über eine Pipeline aus Deutschland ist zum Erliegen gekommen. Die Gasversorgung werde dadurch nicht beeinträchtigt, und das Auffüllen der Speicher für den Winter gehe weiter, teilte der Gasnetzbetreiber GRTgaz am Freitag mit.
Die Gaspreise zogen in den vergangenen Tagen kräftig an. Am Donnerstag erreichte der Erdgas-Future in London mit über 310 Britische Pfund das höchste Niveau seit Anfang März. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine war der Ölpreis zeitweise auf 500 Pfund explodiert. Zum Vergleich: Vor gut einem Jahr lagen die Notierungen noch bei einem Zehntel davon. Am Freitag pendelt der Gas-Futures-Preis bei knapp 250 Pfund.
Der russischen Nachrichtenagentur RIA zufolge könnten Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 demnächst komplett ausgesetzt werden, schreibt Reuters. Sie zitierte den russischen Botschafter bei der EU entsprechend. Zur Begründung wurde auf weitere Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren verwiesen.
Besorgnis über Gas-Speicher
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält dies jedoch für eine vorgeschobene Begründung. Es sei offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben. Die eingeschränkten Gaslieferungen schüren nun Sorgen, die Speicher könnten womöglich für den Winter nicht ausreichend gefüllt werden. Derzeit seien die Gasspeicher in Deutschland zu 56 Prozent gefüllt.
Europa ist besonders stark von russischem Gas abhängig. Da es sich nicht leicht wie Rohöl anderweitig beschaffen lässt, könnte es zu bereits in wenigen Monaten zu Versorgungsengpässen kommen. Weiter steigende Gaspreisen wären die Folge. Habeck ruft die Bevölkerung dringend zum Energiesparen auf. Als Konsequenz auf die gesenkten Gaslieferungen schließt er auch gesetzliche Maßnahmen zu Energie-Einsparungen nicht aus. Denn zu wenig Gas wird die Wirtschaft zusätzlich belasten.
mmr mit dpa und rtr