Seit Anfang November haben die in der Opec+ zusammengefassten Länder ihre Rohöl-Förderung deutlich reduziert. Dennoch steigen die Ölpreise nicht wirklich. Professionelle Trader am Terminmarkt setzen jedoch auf deutlich steigende Notierungen von Brent und WTI. Selbst ein Barrel-Preis von 200 Dollar scheint in wenigen Monaten erreichbar.
Die Ölpreise sind am Dienstag leicht gefallen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Mittag am Terminmarkt wieder weniger als 98 US-Dollar (siehe Chart). Am Montag hat der Ölpreis mit seinem Ausbruch aus einem kurzfristigen Abwärtstrend auch ein technisches Signal gegeben. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel auf 90 Dollar.
Die Preisentwicklung am Rohölmarkt bleibt schwankungsanfällig. Für Verunsicherung sorgt seit einiger Zeit die harte Corona-Politik der chinesischen Führung. Spekulationen auf eine etwas lockerere Linie hatten sich zuletzt nicht bewahrheitet. Eine Abkehr von der harten Corona-Politik ist nach Einschätzung von Carsten Fritsch, Analyst bei der Commerzbank, nötig, damit die Ölnachfrage in China wieder stärker wächst.
Optionshändler setzen auf steigende Öl-Notierungen
Die professionellen Optionshändler glauben jedoch an einen baldigen Preisaufschwung am Ölmarkt. Der am aktivsten gehandelte Kontrakt war am vergangenen Donnerstag eine Option, ein Barrel Brent im März 2023 für 200 Dollar zu kaufen. Damit müsste sich Brent-Öl in den kommenden vier Monaten mehr als verdoppeln. Die bisherigen Rekordpreise für Brent lagen bei 133 Dollar.
Etwa die Hälfte der aktuellen Kontrakte zum Kauf von Öl zu 200 Dollar wurde offenbar von einem Käufer platziert, der allein etwa 810.000 Dollar für diese Spekulation investierte, so Robert Yawger, Direktor für Energie-Futures bei Mizuho Securities USA gegenüber Barron‘s.
Yawger berichtet von weiteren Käufern, die aktuell aggressiver positioniert als je zuvor. Laut Bloomberg ist das derzeitige Verhältnis von bullischen zu bärischen Wetten auf dem Optionsmarkt nie zuvor in der Geschichte größer gewesen.
EU stoppt Ölimporte aus Russland
Eigentlich ist deutlicher Anstieg der Ölpreise in einer globalen Rezession unwahrscheinlich, da die Nachfrage niedrig ist. Aber theoretisch könnten die richtigen Umstände den Ölpreis auf neue Höchststände treiben. Denn es gibt durchaus Faktoren, die in den kommenden Monaten zusammenkommen und sehr bullisch aussehen.
Erstens plant die Europäische Union, alle Ölimporte aus Russland am 5. Dezember zu stoppen. Russland verkauft bereits heute mehr Öl nach Asien, aber das Verbot und die Preisobergrenze dürften seine Exporte reduzieren und das Gesamtangebot um bis zu einer Million Barrel pro Tag verringern.
Verkauf von US-Reserven läuft aus
Zudem wird die USA nach dem Verkauf ihrer strategischen Erdölreserven, was die Ölpreise niedrig hielt, ab diesem Monat wieder weniger verkaufen und ab Dezember den Reserven-Verkauf komplett beenden.
Der US-Kongress hat zwar weitere 26 Millionen Barrel zum Verkauf bis Oktober 2023 freigegeben. Doch JPMorgan-Analystin Natasha Kaneva erwartet, dass diese Fässer bereits im ersten Quartal 2023 verkauft werden. Danach werde die Öl-Reserve auf 348 Millionen Barrel sinken – der niedrigste Wert seit 1983 und nur noch halb so groß sein wie Anfang 2022.
Das US-Produktionswachstum ist zuletzt gleichzeitig etwas ins Stocken geraten. Regierungsdaten zeigen, dass die Öl-Produktion in der vergangenen Woche auf 11,9 Millionen Barrel pro Tag gesunken ist, was den niedrigsten Stand seit Monaten bedeutet. Die Lieferungen von Produkten wie Diesel und Heizöl in den USA sind sogar auf mehrjährigen Tiefständen, was bedeutet, dass es nicht viel Überangebot gibt, auf das man zurückgreifen kann.
China könnte Covid-Regeln lockern
In der Zwischenzeit könnte die Ölnachfrage bald wieder steigen, wenn China seine Covid-19-Regeln lockert und es den Menschen wieder ermöglicht, freier zu reisen. Anderswo in der Welt blieb die Ölnachfrage trotz einer wirtschaftlichen Abschwächung relativ stark.
Für tendenziellen Auftrieb der Ölpreise sorgt auch die Angebotspolitik des Ölverbunds Opec+. Seit Monatsbeginn haben die rund 20 Förderländer ihre Produktion verringert. Sie reagieren damit auf die teils deutlichen Preisabschläge in den vergangenen Monaten, die Folge der allgemeinen Konjunkturschwäche sind.
Da das Öl-Angebot in den kommenden Monaten wahrscheinlich sinken wird und die Nachfrage steigt, klingen die 200 Dollar der Options-Spekulanten zwar immer noch abenteuerlich. Aber unmöglich ist es nicht.