Die Opec-Staaten haben eine drastische Förderungskürzung um zwei Millionen Barrel Rohöl pro Tag angekündigt. Mit der Angebotsverknappung soll verhindert werden, dass die Ölpreise noch weiter fallen. Doch US-Präsident Joe Biden will die Inflation bekämpfen. Deshalb werden 15 Millionen Barrel Öl aus der strategischen Reserve (SPR) der USA zum Verkauf freigegeben.
Bis Ende des Jahres soll ein Teil der amerikanischen Ölreserve verkauft werden. Falls notwendig könne weiteres Volumen auf den Markt gepumpt werden, sagt Biden. Die Reserve werde wieder aufgefüllt, wenn der Ölpreis unter 70 Dollar je Barrel falle.
Ölpreise werden von mehreren Faktoren beeinflusst
Gegenwärtig liegt der Preis für US-Öl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) bei etwa 86 Dollar. Bereits die Ankündigung der Freigabe der strategischen Reserve ließ die Ölpreise am Mittwoch fallen. WTI kostete zeitweise etwa 84 Dollar. Nordsee-Öl der Sorte Brent Crude verbilligte sich zeitweise auf unter 90 Dollar je Barrel, steht am Donnerstag aber wieder bei gut 93 Dollar.
Die aktuelle Erholung der Ölpreise wird auch mit Befürchtungen begründet, dass jüngste Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland das Angebot an Rohöl verknappen könnte. Unter anderem könnten die EU-Maßnahmen den globalen Öltransport mit Tankschiffen belasten, hieß es. Zudem haben einige indische Raffinerien bereits begonnen, Ölkäufe einzustellen, bevor die EU-Sanktionen Anfang Dezember in Kraft treten.
Vor US-Zwischenwahlen sollen Preise runter
Außer der Inflationsbekämpfung hat Joe Biden sicher auch die Zwischenwahlen im Hinterkopf. In den USA finden Anfang November Kongresswahlen statt. Die US-Bürger sind ähnlich wie in Deutschland fast überall mit hohen Preisen konfrontiert: im Supermarkt, an der Tankstelle und auch beim Blick auf die Miet- oder Heizkostenabrechnung.
Bei einer Teuerungsrate von zuletzt noch 8,2 Prozent schrillen nicht nur bei der Notenbank die Alarmsirenen, sondern auch im Weißen Haus. "Die Inflationsrate ist natürlich eine Katastrophe für US-Präsident Joe Biden", meint der US-Kenner und Kieler Volkswirtschaftsprofessor Harm Bandholz.
Popularität Bidens gesunken
Viele Amerikaner treffe besonders der hohe Benzinpreis hart. Für die Republikaner sei es daher ein Leichtes, dieses Thema auszuschlachten und dem Präsidenten die Verantwortung für die Preis-Misere zuzuweisen. Der mit niedrigen Popularitätswerten kämpfende Staatschef steht zwar bei den Zwischenwahlen am 8. November nicht auf dem Wahlzettel. Doch müssen seine Demokraten zumindest um ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus bangen, was Biden das Regieren künftig deutlich erschweren würde.
Immerhin: Zuletzt sind die Preise an der Zapfsäule zuletzt wieder etwas gefallen. Erst mittel- bis langfristig dürfte das 430 Milliarden Dollar schwere Paket aus dem "Inflation Reduction Act" wirken. Biden pries es als "eines der bedeutendsten Gesetze" in der US-Geschichte.
Die Preise im Land sind laut Biden "immer noch zu hoch". Die Inflationsrate liegt mehr als vier Mal so hoch wie von der US-Notenbank Federal Reserve angestrebt. Sie hat daher die Zinsen kräftig angehoben – auf die Spanne von 3,00 bis 3,25 Prozent. Am 2. November – also kurz vor den Zwischenwahlen – dürfte ein weiterer Jumbo-Schritt von 0,75 Prozentpunkten folgen.
Fazit
In den kommenden Wochen dürften die USA verhindern, dass es zu unpopulären Kursstürzen an der Wall Street kommt und dass die Ölpreise überdimensional steigen. Tendenziell dürfte die Bewegung der WTI-Preise auch den Brent-Preis beeinflussen. Daher können Verbraucher und Spekulanten davon ausgehen, dass es kurzfristig nicht zu deftigen Preissprüngen aufwärts kommt. Darauf verlassen kann man sich jedoch auch nicht.