Der Goldpreis gibt sein geraumer Zeit Rätsel auf, heißt es in einer aktuellen Studie der Commerzbank. Trotz zahlreicher Unsicherheitsfaktoren wie der ungelöste Handelskonflikt zwischen den USA und China, die Währungskrise in der Türkei und eine zunehmend rücksichtslose US-Sanktionspolitik, die inzwischen auch Verbündete trifft, stand Gold bis vor kurzem unter Abgabedruck.

Mitte August markierte Gold bei 1.160 Dollar je Feinunze ein 19-Monatstief. Vom Mitte April verzeichneten Hoch hat Gold damit 15 Prozent bzw. 200 Dollar verloren. Der Preisrückgang gewann dabei nach dem Rutsch unter die psychologisch wichtige Marke von 1.200 Dollar kurzzeitig nochmals an Dynamik. Manche Marktteilnehmer ziehen deshalb bereits die Rolle von Gold als sicheren Hafen in Zweifel.

Wie groß diese Zweifel sind, zeigt sich daran, dass in Massenmedien Berichte basierend auf Texten von Nachrichtenagentur groß herausgestellt werden, die fragen, ob eine Goldkrise droht. Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman hat sich in der Vorwoche sogar mit der Aussage an die Öffentlichkeit gewagt, "Gold als Wertanlage ist tot."

Möglicherweise ist so viel Pessimismus speziell kurzfristig aber sogar als ein Kontraindikator zu sehen. Die Commerzbank will jedenfalls nicht so weit gehen und Gold abschreiben. Man räumt zwar ein, dass es derzeit speziell ein halbes Dutzend an Gründen gibt, welche erklären, warum Gold zuletzt nicht als sicherer Hafen fungierte. Diese Argumente stellen wir auf den nachfolgenden Seiten vor. Zudem führen wir aus, was aus Sicht der Commerzbank-Analysten schon bald eine Goldpreiswende bewirken könnte.

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Grund 1: Aufwertung des US-Dollar



Zeitgleich mit dem Tief beim Goldpreis stieg der Dollar gegenüber dem Euro und auf handelsgewichteter Basis jeweils auf das höchste Niveau seit Ende Juni 2017. Zeitweise kostete ein Euro nur noch 1,13 Dollar. Zwischen Januar und April waren es noch deutlich mehr als 1,20 Dollar gewesen.

Der Dollar profitierte dabei laut Commerzbank sowohl von seinem beträchtlichen Zinsvorteil gegenüber dem Euro als auch von seiner Funktion als sicherer Hafen. Letztere führte zu einer hohen Nachfrage nach US-Staatsanleihen, so dass die Rendite für 10-jährige US Treasuries wieder deutlich unter die Marke von 3 Prozent fiel. Der feste Dollar erklärt allerdings nicht, warum der Goldpreis in Euro fast genauso stark nachgab und auf den niedrigsten Stand seit 2½ Jahren abrutschte, so die Analysten.



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Grund 2: Robuste US-Aktienmärkte



Die US-Wirtschaft überzeugte nach dem Urteil der Commerzbank bis zuletzt mit robusten Konjunkturdaten und Unternehmensgewinnen. Wesentlich dazu beigetragen hat die Steuerreform. Der Handelskonflikt scheint dagegen bis auf einige Ausnahmen noch keine größeren Bremsspuren zu zeigen. Der S&P 500 Index bewege sich dadurch wieder auf Rekordkurs. Der Nasdaq Composite habe Ende Juli bereits ein neues Rekordhoch erzielt.

Entsprechend gering sei die Risikowahrnehmung der Marktteilnehmer. Der VIX-Index, der die implizite Volatilität des S&P 500 misst und als Angstbarometer gilt, sei auf den tiefsten Stand seit Mitte Januar gefallen und handele trotz des jüngsten Anstiegs noch immer auf einem sehr niedrigen Niveau.



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Grund 3: Rückzug der ETF-Anleger



Die Gold-ETFs verzeichnen seit Beginn des dritten Quartals Abflüsse. Diese summieren sich in den sieben Wochen bis Mitte August auf 70 Tonnen. Der Großteil entfiel dabei nach Angaben der Commerzbank auf den weltgrößten Gold-ETF, SPDR Gold Trust, der vor allem bei Großanlegern wie Hedgefonds und Kapitalsammelstellen beliebt ist. Die Abflüsse dürften im Zusammenhang mit der positiven Aktienmarktentwicklung in den USA stehen, die bei den Anlegern aus Performancegründen zu Umschichtungen von Gold in Aktien führt.

Dies zeigten auch Daten des World Gold Council zur regionalen Zusammensetzung der ETF-Abflüsse im Juli. Die gesamten ETF-Abflüsse beliefen sich demnach auf 38,6 Tonnen. 25 Tonnen entfielen dabei auf Nordamerika (davon 19 Tonnen SPDR Gold Trust), 8 Tonnen auf Europa und 5 Tonnen auf Asien. Nennenswerte Zuflüsse habe nur ein in Großbritannien gelisteter Gold-ETF von iShares verzeichnet. Selbst in Deutschland sei das Kaufinteresse zuletzt zum Erliegen gekommen. Der in Deutschland sehr beliebte Gold-ETF Xetra-Gold meldete seit Mitte Juni keinerlei Zuflüsse mehr.



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Grund 4: Schwache Schwellenländerwährungen



Der eskalierende Handelskonflikt, die Währungskrise in der Türkei, die zunehmend willkürliche US-Sanktionspolitik und die Zinserhöhungen der US-Notenbank haben zu einer deutlichen Abwertung der Währungen von Schwellenländern geführt, so die Commerzbank. Davon seien auch die Währungen großer Goldnachfrageländer wie China und Indien betroffen gewesen. Da die Goldpreise in lokaler Währung dadurch nicht so stark gefallen seien - der Preis in Indischer Rupie handelt noch immer deutlich über den 2017er-Tiefs, der Preis in Chinesischem Yuan nur knapp unter dem vorherigen 2018er-Tief - sei die physische Goldnachfrage in diesen Ländern lange Zeit nicht wie sonst üblich angesprungen.

Dadurch habe ein wichtiger preisunterstützender Faktor gefehlt, der einen weiteren Preisrückgang hätte verhindern können. Erst zuletzt hätten Händler von einem steigenden Kaufinteresse an den wichtigen asiatischen Handelsplätzen berichtet. Der Goldpreis in der Türkei sei wegen des Lira-Verfalls auf ein Rekordniveau gesprungen und handele rund 50 Prozent höher als zu Jahresbeginn. Dadurch sieht die Commerzbank auch die Goldnachfrage in der Türkei gebremst, die Anfang 2018 noch robust war.



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Grund 5: Spekulative Verkäufe



Die wohl wichtigste Rolle beim Goldpreisverfall der vergangenen Wochen spielten aus Sicht der Commerzbank wahrscheinlich die spekulativen Finanzanleger. Diese hätten ihre Wetten auf weiter fallende Goldpreise kontinuierlich ausgeweitet. Laut wöchentlicher Statistik der US-Börsenaufsicht CFTC stiegen die Short-Positionen Mitte August auf ein Rekordniveau von 188 Tsd. Kontrakten. Gegenüber Ende Juni entspricht dies einer Verdopplung. Da sich die Long-Positionen in diesem Zeitraum kaum geändert haben, sei es zu einem sukzessiven Anstieg der Netto-Short-Positionen auf inzwischen gut 83 Tausend Kontrakte gekommen.

Dass spekulative Finanzanleger "netto-short" sind, sei ohnehin ungewöhnlich. Das aktuelle Niveau sei darüber hinaus beispiellos. Es entspreche umgerechnet einer Menge von fast 260 Tonnen "Papier"-Gold, die in den vergangenen sieben Wochen über den Terminmarkt verkauft worden sei. Um diese Zahl einzuordnen lohnt sich laut Commerzbank folgender Vergleich: In etwa so hoch war die weltweite Nachfrage nach Goldbarren und Goldmünzen im Durchschnitt der vergangenen Quartale.

Die Verkäufe seitens der Spekulanten wurden nach Ansicht der Commerzbank zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Durch den Goldpreisrückgang seien weitere Spekulanten zu Short-Verkäufen animiert worden, was zu einem nochmaligen Abrutschen des Preises geführt habe. Potenzielle Goldkäufer hätten auf den Preisrückgang mit Kaufzurückhaltung reagiert bzw. verkauften sogar ebenfalls, da sich der Goldpreis zuletzt nicht so verhalten hat wie angesichts der zahlreichen Unsicherheitsfaktoren zu erwarten gewesen wäre.



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Grund 6: US-Sanktionen gegen den Iran



Zusätzlich gebremst werde die Goldnachfrage seit Anfang August durch US-Sanktionen gegen den Iran, weil diese dem Land den Erwerb von Gold erschweren sollen. Die Goldnachfrage des Iran lag im ersten Halbjahr laut World Gold Council mit gut 40 Tonnen nur knapp unter der in der Türkei, wie die Commerzbank ausführt. Man könnte daher von einer Vertrauens- bzw. Sinnkrise bei Gold sprechen. Die Meinung einiger Marktbeobachter, Gold sei deshalb kein sicherer Hafen mehr, teilen die Analysten aber nicht.

Anomalien bei der Goldpreisentwicklung habe es auch schon in der Vergangenheit gegeben. Ein Beispiel sei die Zeit kurz nach dem Ausbruch der großen Finanzkrise im Oktober 2008 gewesen. Der Goldpreis fiel damals innerhalb von zwei Wochen um mehr als 200 Dollar auf weniger als 700 Dollar je Feinunze. Der Goldpreisrückgang ging dabei ebenfalls mit einer kräftigen Aufwertung des US-Dollar einher.

Wer damals das Ende von Gold als sicherer Hafen ausgerufen hätte, habe sich schnell eines anderen belehrt gesehen. Gold machte nämlich die Verluste bis zum Jahresende 2008 wieder wett und setzte zu einem Höhenflug an. Im Dezember 2009 kostete Gold 1.200 USD je Feinunze, Ende 2010 erreichte der Preis 1.400 USD je Feinunze.



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Ausblick: Short-Eindeckungen könnte die Wende einleiten



Es bedarf laut Commerzbank auch heute nicht viel, um einen kräftigen Preisanstieg auszulösen. Wenn die Spekulanten damit beginnen würden, ihre (Netto-)Short-Positionen glattzustellen, könne es mit dem Preis sehr schnell wieder nach oben gehen. Die Analysten erinnern an den Jahreswechsel 2015/16, als zuletzt unter den spekulativen Finanzanlegern nennenswerte Netto-Short-Positionen bestanden. Damals stieg der Goldpreis begünstigt durch Short-Eindeckungen innerhalb von sechs Monaten um 300 Dollar je Feinunze. Ausgelöst wurde dies Anfang 2016 durch Sorgen vor einem Wachstumseinbruch in China. Zur Jahresmitte kam der überraschende Ausgang des Brexit-Referendums hinzu.

Vergleichbare Risikofaktoren gebe es auch heute zur Genüge. Die Netto-Short-Positionen seien Ende 2015 verglichen mit heute sogar deutlich geringer gewesen. Ein möglicher Auslöser für Short-Eindeckungen könnte eine Korrektur der US-Aktienmärkte sein, die allerdings länger andauern müsste als nur ein paar Tage.

Ein anderer wichtiger Aspekt sei die weitere Entwicklung des Dollar. Hier sehen die Commerzbank-Währungsstrategen das Ende der Aufwertung nahezu erreicht. Für 2019 rechnen sie mit einer Dollar-Abschwächung, weil das Ende der Fed-Zinserhöhungen näher rücke und die EZB allmählich aus ihrer ultra-lockeren Geldpolitik auszusteigen beginne. Damit entfielen viele der oben genannten Belastungsfaktoren für Gold bzw. sie kehrten sich sogar ins Gegenteil um.

Die Commerzbank-Analysten bringt das zu der Ansicht, dass der Goldpreis auf ein zu niedriges Niveau gefallen ist. Dieses spiegelten die zahlreichen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheitsfaktoren kaum wider. Die rekordhohen spekulativen Netto-Short-Positionen sprächen für eine spürbare Preiserholung noch in diesem Jahr. Aufgrund des niedrigeren Ausgangsniveaus senkt man aber die hauseigene Preisprognose für das Jahresende auf 1.300 Dollar je Feinunze. Für 2019 rechnet man weiterhin mit einem Anstieg auf 1.500 Dollar je Feinunze.