Der Preis des Edelmetalls hat sich zuletzt gut gehalten – doch charttechnisch ist die Lage nicht einfach. Ein weiteres Tief ist nach wie vor möglich. Zudem gibt es bei Silber eine neue Steuerthematik, die Anleger auf dem Schirm haben sollten. Von Markus Bussler und Stefan Rullkötter
Während Gold in den vergange-en Wochen noch einmal ein Tief eingezogen hat, konnte der Silberpreis sich gut behaupten. Mitte September sah es danach aus, als könnte der kleine Bruder von Gold sein Tief gesehen haben. Doch die Bewegung der letzten Tage lässt an dieser These Zweifel auf kommen. Die Inflationszahlen aus den USA, die nach Redaktionsschluss veröffentlicht werden, dürften nun die Richtung vorgeben. Vor allem die Verbraucherpreise, die am Donnerstag veröffentlicht werden, dürften vom Markt mit Argusaugen verfolgt werden. Bleibt die Teuerung in den USA über der Acht-Prozent-Marke, dann dürfte dies erneut den Dollar beflügeln und alle anderen Assetklassen unter Druck bringen.
Rezession als Problem
Die Problematik bei Silber: Das Edelmetall ist nur etwa zur Hälfte ein Anlagemetall, die andere Hälfte der Nachfrageseite wird von der Industrie dominiert. Deren Nachfrage gilt dabei als vergleichsweise konstant. Vor allem durch die Solar- und Photovoltaikindustrie dürfte der Bedarf in den kommenden Jahren steigen. Doch kommt es zu einer Rezession — was viele Anleger mittler- weile befürchten —, könnte die Industrienachfrage leiden.
Die Investmentnachfrage ist deutlich volatiler. Zwar gilt Silber vor allem bei Privatanlegern als sehr beliebt. Doch die großen Investoren sind mehr oder minder an der Seitenlinie. Auch Hedgefonds haben bei Silber keine allzu hohen Wetten mehr zu Buche stehen, wie die COT-Daten vom vergangenem Freitag offenbaren. Die Spekulanten waren nur mit 8708 Kontrakten netto long auf den Silberpreis. Aus antizyklischer Sicht ist dies alles interessant. Doch Antizyklik allein ist kein Timing-Indikator.
Charttechnische Chance
Ein Blick auf den Chart offenbart das Dilemma, in dem die Silberbullen stecken. Nachdem Silber über die Marke von 21 Dollar sprang und bei 21,20 Dollar ein Top einzog, ging es wieder bergab. Nun müssten die Bullen zwei Kriterien erfüllen, um das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden. Zunächst einmal dürfte der Kurs nicht mehr unter das letzte prägnante Tief bei praktisch genau 18 Dollar fallen. Und dann müsste es Silber in einem zweiten Schritt gelingen, eine fünfwellige Aufwärtsbewegung zu vollenden.
Mit anderen Worten: Der Silberpreis müsste über das Hoch bei 21,20 Dollar ausbrechen und hätte dann Luft bis in den Bereich von 22,40 Dollar. Ob dies gelingt, wird sich in den kommenden Tagen entscheiden. Liegt der Verbraucherpreisindex in den USA unter der Acht-Prozent-Marke, dann dürfte die Zinsangst weichen — und damit die Angst, dass die Fed die Wirtschaft in eine tiefe Rezession führt.
Höhere Steuern auf Silbermünzen
Bei vielen Münzsammlern herrscht derzeit Aufregung und Verunsicherung. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat in einem internen Schreiben an die obersten Finanzbehörden der Länder vom 27. September darauf hingewiesen, dass für Münzen, die keine Sammlerstücke von „münzkundlichem Wert“ sind und aus dem Ausland in die EU eingeführt werden, 19 Prozent Umsatzsteuer zu erheben seien — und nicht wie bisher oft als ermäßigter Satz sieben Prozent.
Konkret soll diese Steuerausnahme künftig nur noch für Sammlermünzen gelten, deren Wert mehr als 250 Prozent über dem Materialpreis liegt. Aus Sicht des BMF ist eine verein- fachte Regelung in der Vergangenheit oftmals falsch angewendet worden, die sich ausschließlich auf Sammlerstücke von hohem Wert beziehen soll.
Mit dem Schreiben habe man auf die geltende Rechtslage hin- gewiesen und manche Formulierungen geändert, damit sie künftig korrekt angewendet werde, erklärte dazu ein BMF-Pressesprecher. Diese „Klarstellungen“ beziehen sich auf ein altes BMF-Schreiben von 2004.
Bis zum Jahresende 2013 galt auf Silbermünzen grundsätzlich der ermäßigte Umsatzsteuersatz von sieben Prozent. Seit 2014 werden regulär 19 Prozent erhoben. Damals wurde aber parallel eine Sonderregelung für Silbermünzen eingeführt, die aus Nicht-EU-Ländern importiert wurden, etwa aus Kanada, Australien und den USA.
Steuern oft "falsch gemünzt"
Bei diesen Silbermünzen wendeten Edelmetallhändler seitdem die sogenannte Differenzbesteuerung an und berechneten die Umsatzsteuer nur auf ihre Marge. Dadurch blieb die Abgabe für derartige Silbermünzen bei rund sieben Prozent. Auch für importierte Münzbarren aus Silber galt der Steuervorteil. Auf normale Silberbarren ohne Münzprägung wird hingegen seit mehr als acht Jahren der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 Prozent fällig.
Brisant: Obwohl das BMF-Schreiben bisher nicht auf dessen Internetseiten, im Bundessteuerblatt oder auf dem Portaldes Bundesanzeigers veröffentlicht wurde, sollen die in dem Dekret manifestierten Klarstellungen „in allen offenen Fällen“ anzuwenden sein.
Das sorgt an den Marktplätzen für Verwirrung: Derzeit verkaufen laut Fachvereinigung Edelmetalle Händler aus Haftungsgründen teilweise Silbermünzen aus Nicht-EU-Ländern nur noch mit einem Steuersatz von 19 Prozent. Andere berechnen dagegen weiterhin lediglich sieben Prozent Umsatzsteuer.
Eine weitere Händlergruppe hat den Verkauf dieser Silbermünzen vorläufig sogar komplett ausgesetzt. Sie sieht sich durch die Rechtsunsicherheit für laufenden Geschäfte und die Bürokratie bei der Umstellung ihrer Prozesse zu stark belastet.
Das sind schlechte Nachrichten für Anleger, die langfristig in diese Silberlinge investieren wollen. Seit Bekanntwerden des BMF-Schreibens sind die Aufgelder für Silbermünzen auf aktuell bis zu 50 Prozent gestiegen, nachdem sie sich bis Ende September noch in einem Korridor um die 30 Prozent bewegten.
Dieser Artikel erschien zuerst in Euro am Sonntag 41/2022. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.