HAMBURG (dpa-AFX) - Ein Überangebot an Schiffen auf den Weltmeeren, ein schwächelnder Welthandel und die andauernde Gewalt der Huthi-Miliz gegen Handelsschiffe im Roten Meer: Die Hamburger Containerreederei Hapag-Lloyd sieht sich nach den goldgeränderten Bilanzen während der Corona-Pandemie in schwierigem Fahrwasser. Dieses Jahr könnte es nach einer ersten Prognose sogar Verluste geben. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) werde sich im laufenden Jahr in einer Bandbreite von minus 1 bis plus 1 Milliarde Euro bewegen, hieß es am Donnerstag.

"In der Mitte liegt ungefähr eine schwarze Null und ich hoffe, dass wir nicht mit roten Zahlen enden", sagte Vorstandschef Rolf Habben Jansen. "Aber es gibt halt sehr viele Unsicherheiten".

An der Börse wurden die Neuigkeiten mit Kursverlusten quittiert. Die Hapag-Lloyd-Aktie verlor bis zum Nachmittag mehr als drei Prozent auf 130 Euro. Seit dem Jahreswechsel hat das Papier damit rund vier Prozent eingebüßt.

Während der Pandemie hatten alle Frachtreedereien von Verwerfungen in den Lieferketten mit fehlenden Kapazitäten und einer hohen Nachfrage nach Transporten auf See profitiert. Die Preise, im Branchenjargon Frachtraten, schnellten in die Höhe. Unter dem Strich bescherte dies Hapag-Lloyd 2022 einen beispiellosen Gewinn von rund 17 Milliarden Euro - und den Aktionären eine Dividende von 63 Euro je Aktie.

Für 2023 standen nach einem erwarteten Gewinneinbruch unter dem Strich aber immer noch 2,95 Milliarden Euro. Es war damit das drittbeste Jahr in der Geschichte der weltweit fünftgrößten Containerreederei mit einer Flotte von derzeit 266 Schiffen. Je Aktie will Hapag-Lloyd nun eine Dividende von 9,25 Euro ausschütten.

Der Nettogewinn des Konzerns war sogar höher als der Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) von 2,5 Milliarden Euro, "da wir dank unserer hohen Liquidität ein positives Finanzergebnis erwirtschaftet haben", wie Finanzvorstand Mark Frese sagte.

Geht es nach den aktuellen Prognosen, dürften diese Gewinne 2024 nicht annähernd wieder erreicht werden. Habben Jansen sprach von einer herausfordernden Zeit. Erst nach 2025 und 2026 "werden wir hoffentlich wieder in eine normale Situation zurückkommen", so der seit 2014 amtierende Vorstandschef. Sein Vertrag wurde vom Aufsichtsrat vorzeitig bis Ende März 2029 verlängert.

Der Umsatz des Hapag-Lloyd-Konzerns schrumpfte 2023 auf knapp 17,8 Milliarden Euro, das war nur noch knapp die Hälfte des Umsatzes im Rekordjahr 2022. Maßgeblich dafür war bei einer in etwa stabilen Transportmenge von 11,9 Millionen Standardcontainern (TEU) eine im Vergleich zu 2022 fast halbierte durchschnittliche Frachtrate von etwa 1500 Euro je TEU.

Der Rückgang der Frachtraten hatte sich zum Jahresende hin beschleunigt - das Management spricht von einem "unhaltbar niedrigen" Niveau. Letztlich musste Hapag-Lloyd im Schlussquartal 2023 sogar erstmals seit 2016 einen operativen Verlust (Ebit) verbuchen.

Mit dem Beginn der Huthi-Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer Anfang 2024 haben sich die Frachtraten allerdings wieder spürbar erhöht, auch weil die von den Reedereien beschlossenen Umleitungen ihrer Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas länger dauern, die Reedereien ihre Schiffe schneller fahren lassen und Transporte damit kostspieliger sind. Unklar ist, wie lange diese Situation beibehalten wird und welche Effekte dies auf die Geschäftszahlen haben wird.

"Das Leben unserer Belegschaft ist weit wichtiger als eine längere Fahrzeit von sieben Tagen", sagte Habben Jansen. "Wir warten also, bis sich das normalisiert." Weil die Angriffe erst Mitte Dezember begonnen hätten, werde sich die finanzielle Auswirkung erst mit den Zahlen für das erste Quartal zeigen, die Mitte Mai vorgelegt werden sollen./kf/DP/stw

Quelle: dpa-Afx