Allerdings könnte sich die Tür für eine tendenziell straffere Linie bald einen Spalt weit öffnen. Draghi signalisierte, dass die EZB den Zinsausblick den besseren Konjunkturaussichten anpassen dürfte.

Die Nullzinspolitik ist vor allem in Deutschland umstritten. Schäuble fordert eine baldige Abkehr. "Die Zinsentwicklung wird ja auch wieder demnächst anfangen, sich zu normalisieren", prophezeite er am Dienstagabend auf einer CDU-Veranstaltung in Berlin. Laut Schäuble bereitet die Nullzinspolitik den Geldhäusern und der ganzen Finanzbranche hierzulande "außergewöhnliche Probleme".

DRAGHI SIEHT "IMMER GERINGERE RISIKEN"



Draghi sagte in Den Haag hingegen, die Vorteile der EZB-Geldpolitik überwögen mögliche Nebenwirkungen. Zugleich betonte der Italiener, dass sich auf lange Sicht lauernde Risiken bei der Preisentwicklung verringert hätten. Mit dem aufgehellten Konjunkturausblick würden diese Gefahren "immer geringer". Seine Äußerungen lassen aufhorchen, da laut Draghi Teile des aktuellen Zinsausblicks genau auf diese Risiken ausgerichtet sind. Experten spekulieren seit längerem, dass die EZB eine Passage aus ihren Leitlinien für die weitere Geldpolitik streichen könnte, in der ein noch niedrigeres Zinsniveau für die Zukunft nicht ausgeschlossen wird.

Nach guten Wirtschaftsdaten hatte EZB-Chefvolkswirt Peter Praet jüngst bereits Spielraum für mögliche Änderungen am geldpolitischen Ausblick angedeutet. Dabei lenkte der Belgier den Blick auf die Zinssitzung im Juni. Dann könne die Notenbank auf noch mehr Informationen zur Wirtschaftsentwicklung zurückgreifen. Dies gilt als Fingerzeig, dass die EZB sich vorsichtig in Richtung Abkehr von ihrer laxen Ausrichtung bewegt.

Auf ihrem jüngsten Ratstreffen hatte die EZB noch an den weit geöffneten Geldschleusen festgehalten. Draghi betonte dabei, es brauche sehr günstige Finanzierungsbedingungen, um die Inflation in Richtung des EZB-Ziels von mittelfristig knapp unter zwei Prozent zu treiben.

Die Zinsexperten des Bundesverbandes öffentlicher Banken rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit einem strafferen Kurs der EZB. Erste Entscheidungen für einen langsamen Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik seien um den Jahreswechsel 2017/18 zu erwarten, erklärte der Verband in Frankfurt. Für den ehemaligen Bundesbankchef Axel Weber sind Zinserhöhungen vor Mitte 2018 dagegen kein Thema. Er rechnet damit, dass die EZB zuvor ihr Anleihen-Kaufprogramm auslaufen lässt. Insgesamt hat sie in über zwei Jahren bereits mehr als 1,5 Billionen Euro in die Hand genommen, um auf diese Weise die Konjunktur anzuheizen.

rtr