BÖRSE ONLINE: Herr Professor Weber, wie
werden wir 2020 fahren - elektrisch, mit
Brennstoffzelle, mit Erdgas oder
immer noch mit Benzin und Diesel?
Thomas Weber: Wir fahren vor allem
auch künftig in individuellen und emotionalen
Autos. Weitgehend emissionsfrei
und zunehmend autonom. Der Antrieb wird
immer mehr elektrisch, aber der Verbrennungsmotor
bleibt wichtig. Allerdings werden
die Hightech-Verbrennungsmotoren
kompakter, leichter und immer effizienter.
Nebenaggregate wie Lenkung oder Kühlung
werden elektrifiziert. Hinzu kommt, dass die
Batterien größer werden. Und wir sind überzeugt,
dass großflächig die Plug-in-Hybrid-
Technologie kommen wird.
Was bedeutet das für die Modellpalette von
Daimler respektive Mercedes?
Wir bringen bis 2017 mindestens zehn Modelle
als Plug-in-Hybrid. Und mit der kürzlich
in Genf vorgestellten Studie "V-ision e" könnten
es sogar elf werden, wenn die Kundennachfrage
da ist. Die Euphorie bei rein elektrisch
betriebenen Fahrzeugen ist nach wie
vor eher gebremst. Ähnlich ist es auch bei
der Brennstoffzelle. Der Ausbau wird stufenweise
erfolgen, und wir geben bei der Entwicklung
nach wie vor massiv Gas.
In China haben Sie das Elektrofahrzeug
Denza am Markt, aber hierzulande ist rein
elektrisch zurzeit ausschließlich die B-Klasse
verfügbar. Planen Sie mehr Modelle - und
kommt wieder ein Elektro-Smart?
Der Smart ist in der Vorgängervariante weiterhin
als Elektrofahrzeug verfügbar. Wir
werden zudem den neuen Smart in der zweiund
viertürigen Version elektrifizieren. Die
Frage ist nicht mehr die Produktvielfalt,
sondern die Kundennachfrage. Und die bedienen
wir mit unserem Angebot. Der Denza
kommt nun in höheren Stückzahlen, wir
fahren die Produktion qualitätsgesteuert
hoch. Wir glauben, dass er für den Markt in
China eine wichtige Antwort ist. Der Regierung
dort traue ich zu, mit konsequenten
Entscheidungen die Voraussetzungen für
noch mehr Elektromobilität, vor allem in den
Ballungsräumen, zu schaffen. Das hat nicht
nur mit Fahrzeugen zu tun, sondern auch
mit Parken, Laden und Regeln.
Was trauen Sie der deutschen Regierung
diesbezüglich zu?
Klare Botschaft nach Berlin: Nur von Elektromobilität
zu reden genügt nicht. Man muss
diese Technologie stärker fördern. Es muss
zu mehr und sehr konkreten Kaufanreizen
kommen - wie in Norwegen-, damit dem
Kunden die Kostennachteile kompensiert
werden.
Beim Pkw-Absatz lag Daimler 2014 hinter
BMW und Audi auf Platz 3. Ihr erklärtes Ziel
ist es, bis 2020 die Poleposition im Premiumsegment
zu erobern. Mit welchem Rezept
wollen Sie das erreichen?
Angriff! Wir feuern aus allen Rohren. 2015
werden insgesamt acht neue beziehungsweise
entsprechend neu modifizierte Fahrzeuge
eingeführt. Mit diesen neuen Modellen
wird es uns gelingen, das Wachstum massiv
weiter zu befeuern. Mit den Kompaktfahrzeugen
erschließen wir neue Kundengruppen,
die wir vorher nicht hatten. Über
470 000 verkaufte Einheiten im Jahr 2014
sprechen eine deutliche Sprache - und das,
bevor der CLA Shooting Brake in den Markt
eingeführt worden war. Wichtig ist zudem,
dass wir mit diesen neuen Produkten in neue
Märkte und Segmente vorstoßen.
Dazu haben Sie 30 neue Modelle angekündigt,
zwölf davon ohne direkte Vorgänger.
Ist die immer größere Modellvielfalt und
Individualisierung Folge der neuen Robotertechnik
in der Produktion - Stichwort
Industrie 4.0?
Industrie 4.0 ist viel mehr als nur Roboter in
der Produktion. Es umfasst die komplette
digitale Vernetzung über die gesamte Prozesskette
hinweg und beinhaltet zudem den
Logistikprozess und die Vernetzung des
Fahrzeugwerks mit den Zulieferern. Wir
gehen noch einen Schritt weiter und sagen,
dass Industrie 4.0 die intelligente Vernetzung
der Entwicklung mit der Produktion ist. Die
Flexibilität in den Werken erreichen wir aber
unabhängig von Industrie 4.0.
Wie?
Unsere Fahrzeuge basieren im Wesentlichen
auf Standardarchitekturen, die Kompakten
auf der Front-, die größeren Modelle auf der
Hinterradarchitektur. Dazu kommen Sportwagen-
und SUV-Architekturen. Dahinter
steht ein Modulbaukasten, der die Produktion
einfacher und schlanker macht. In unseren
Werken laufen bis zu vier verschiedene
Fahrzeuge von einem Band.