Der Diesel könne zwar einen Beitrag für den Übergang zur Elektromobilität leisten. "Wer aber glaubt, dass damit die mittel- und langfristigen Klimaschutzziele erreichbar wären, der täuscht sich", sagte die SPD-Politikerin. Die Industrie sei an einem Wendepunkt angelangt.
Volkswagen -Chef Müller, der von Hendricks selbstbewusstem Auftritt im Wolfsburger Autoreich sichtlich beeindruckt war, sprach im Anschluss von einem "sehr offenen, teilweise auch kritischen Gespräch". Er kündigte an, dass Volkswagen beim Dieselgipfel kommende Woche in Berlin die Umrüstung weiterer Fahrzeuge anbieten werde. Der Konzern wolle vier Millionen Fahrzeuge nachrüsten, um so die Emissionen deutlich zu reduzieren. "Wir wissen um unsere Verantwortung für Arbeitsplätze und Umwelt und wollen einen Beitrag zum Erfolg des Gipfels liefern."
Ein VW-Sprecher erläuterte, dass darin bereits bestehende Rückrufe mit eingerechnet seien. So muss Volkswagen wegen des Dieselskandals in Deutschland 2,6 Millionen Fahrzeuge mit einer Software nachrüsten. Die VW-Tochter Audi hat zudem bereits europaweit die Umrüstung von bis zu 850.000 Fahrzeugen versprochen, von denen ein Großteil auf Deutschland entfällt. Hinzu kämen rund 600.000 Fahrzeuge mit der älteren Euro-5-Abgasnorm, die ebenfalls nachgerüstet werden sollten.
KEINE INSZENIERUNG
"Ich hoffe, dass dieser Diesel-Gipfel eine ernsthafte Angelegenheit wird, keine Inszenierung und kein Wahlkampfthema", sagte Müller, der wie Hendricks seine Erklärung vom Blatt ablas. Die Debatte um den Verbrennungsmotor müsse versachlicht werden. Hendricks ließ die Bereitschaft der Politik zur Selbstkritik erkennen: "Es ist wohl so, dass der Staat es häufig an Distanz zur Autoindustrie hat mangeln lassen." Die Kontrollen müssten ausgeweitet werden. "Ich halte es für erforderlich, dass wir eine Kontrollbehörde in einem anderen Ressort ansiedeln müssen." Neben dem Verkehrsressort könne dies das Umwelt- oder Verbraucherschutzministerium sein.
Der Diesel-Gipfel mit Vertretern von Bundesregierung, Industrie, Ländern und Gewerkschaften will am kommenden Mittwoch Beschlüsse fassen, mit denen drohende Fahrverbote wegen zu hoher Stickoxid-Werte (NOx) vermieden werden können. Daimler hat bereits den Rückruf von drei Millionen Autos der Abgasnormen Euro-5 und Euro-6 angekündigt. Hendricks sagte, diese Nachrüstungen durch die Installation neuer Software könnten nur ein erster Schritt sein. Es sei unklar, ob dies ausreiche, Fahrverbote vor Gericht zu verhindern.
DROHT EIN WEITERER MILLIARDEN-SCHADEN?
Die Quartalszahlen von Volkswagen gerieten dadurch in den Hintergrund. Die VW-Aktie verlor sogar stärker an Wert als die Konkurrenz. Analysten führten dies vor allem auf die Katerstimmung nach den Kartellvorwürfen zurück. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten und Volkswagen verurteilt werden, könnte dem Konzern aus Strafzahlungen, Imageschaden sowie Schadensersatzansprüchen von Kunden und Zulieferern ein Gesamtschaden im einstelligen Milliarden-Bereich entstehen, sagte Frank Schwope von der NordLB. Auch dies könne der finanzstarke Konzern voraussichtlich jedoch verschmerzen.
Volkswagen hat den Abgasskandal bereits weitgehend abgehakt, der den Konzern bis zu 22,6 Milliarden Euro kosten kann. Der Betriebsgewinn kletterte im zweiten Quartal dank weiterer Sanierungserfolge bei seiner Hauptmarke VW und einem weltweit robusten Absatz um mehr als das Doppelte auf 4,5 Milliarden Euro. Analysten hatten mit einem Betriebsgewinn etwa in dieser Größenordnung gerechnet. Auch die leichte Erhöhung der Umsatzprognose konnte die Stimmung bei Anlegern nicht aufhellen. Ähnlich war es am Mittwoch Daimler ergangen.
rtr