Ein Blick in die Bilanz reicht aus, um die Erfolgsgeschichte einer ganzen Branche zu erklären: Der Cointainerschifffahrtsriese A. P. Møller-Mærsk meldet mal wieder Rekordergebnisse für das abgelaufene Quartal: 5,45 Milliarden Dollar blieben unterm Strich beim weltweit größten Reeder hängen - fünfmal so viel wie im Vorjahreszeitraum. Noch nie verdienten die Dänen in einem Jahresabschnitt so viel Geld. Und das Umsatzwachstum hat schon fast etwas von einem erfolgreichen Technologieunternehmen: Die Erlöse kletterten um 68 Prozent auf 16,6 Milliarden Dollar. Passend zu den Zahlen teilte der Konzern mit, dass dies wohl keine Ausnahme ist, sondern man davon ausgeht, dass die Seefrachtraten auch weiterhin auf hohem Niveau bleiben werden - mindestens bis zum ersten Quartal 2022.

Die Gründe für die hohen Preise sind mannigfaltig. Zunächst einmal hat der weltweite Warenhandel nach dem Corona-Lockdown wieder kräftig angezogen. Die Nachfrage nach Gütern ist stark gestiegen. Insbesondere die USA hatten einen hohen Nachholbedarf, was auch daran liegt, dass die Haushalte dort so viel Geld haben wie lange nicht. "In der anhaltend außergewöhnlichen Marktsituation mit hoher Nachfrage und weltweiten Unterbrechungen der Lieferketten haben wir unsere Kapazitäten weiter erhöht und unser Angebot erweitert, um die Fracht unserer Kunden zu transportieren", sagte Mærsk-Konzernchef Søren Skou.

Sämtliche Schiffe sind ausgebucht. Und dann regelt letztlich der Markt den Preis, und dieser kletterte gewaltig: Kostete etwa der Transport eines 40-Fuß-Containers, der von Asien in die USA verschifft wird, vor zwei Jahren weniger als 2000 Dollar, werden heute dafür bis zu 25 000 Dollar aufgerufen. Aktuell fahren etwas mehr als 6000 Containerfrachtschiffe über die Weltmeere, etwa 25 Millionen Container sind im Einsatz.

Lager noch nicht voll

Eigentlich eine verkehrte Welt: Denn wenn es eines in den vergangenen Jahren nicht gab, dann waren es zu wenige Container. Irgendwo wurde die Ware schon untergebracht. Jahrelang konsolidierte die Branche, weil die Frachtraten zu gering waren. Selten standen die Unternehmen so im Fokus wie aktuell. Bei den Unternehmen sind die Lieferprobleme so eklatant, dass sie bereits eigene Schiffe mieten. So hat IKEA Probleme damit, seine Kunden zu beliefern. Laut Branchendienst Trade Winds News setzten auch die US-Unternehmen Walmart sowie Home Depot in diesem Jahr ebenfalls bereits auf eigene Transportmittel, um der Nachfrage gerecht zu werden.

Dem Vorstandschef von Hapag-Lloyd, der mit 250 Schiffen führenden deutschen Container-Reederei, ist das schon fast zu viel des Guten. Trotz der riesigen Gewinne wünscht er sich wieder etwas Normalität zurück. "Jetzt ist es eigentlich zu extrem", sagt Rolf Habben Jansen. Erst vor Kurzem hob der Konzern seine Prognose an: Vor Zinsen und Steuern (Ebit) sollen zwischen 8,7 Milliarden und 9,5 Milliarden Euro verdient werden, bisher wurden 6,2 Milliarden bis 7,9 Milliarden Euro erwartet. Das wäre rund siebenmal so viel wie im vergangenen Jahr.

Die Aktionäre dürfte dies erst mal nicht stören: Der Aktienkurs zog in den vergangenen zwölf Monaten kräftig an: Er kletterte innerhalb eines Jahres von 50 auf sage und schreibe 230 Euro. Aktuell notiert der Titel bei 210 Euro. Geht es nach den Analysten der Deutschen Bank, sind noch deutlich höhere Kursgewinne drin: Sie hoben das Kursziel von 265 auf 324 Euro an. Doch müssen Anleger auf der Hut sein, der Streubesitz ist mit 3,6 Prozent sehr gering, deswegen ist der Titel auch so volatil. Kurz nach Bekanntgabe der endgültigen Zahlen zum dritten Quartal sprang der Kurs auf ein neues Allzeithoch, fiel dann allerdings wenig später um mehr als zehn Prozent. Die Experten erwarten auch für 2022 noch ein herausragendes Jahr. In einer Studie schreiben sie von einem Superzyklus, der den Höhepunkt noch vor sich hat. Selbst 2023 könnte die Branche noch positiv überraschen.

Sind normalerweise die Bestellungen für das Weihnachtsgeschäft weitgehend getätigt und die Lager der Händler gut gefüllt, ist es in diesem Jahr anders: Wegen der Engpässe sowie dem Rückstau an Ladung ist eine saisonale Abschwächung im globalen Containerverkehr, wie sonst üblich zu dieser Zeit, ziemlich ausgeschlossen. Doch gibt es auch mahnende Stimmen, die den Höhepunkt der Frachtraten bereits erreicht sehen.

Interessant ist auch das Papier von Ernst Russ, einem Investmentmanager für Containerschiffe. Aktuell hat dieser 18 Schiffe mit Mehrheits- und 13 mit Co-Investments. Kontinuierlich baut er seine Flotte aus und ist mit kleineren Schiffen etwas flexibler als ein Riese wie Møller-Mærsk. Auch finanziell ist das Unternehmen gut ausgestattet, allerdings gehen an der Börse lediglich wenige Stücke um, sodass mit Limits gearbeitet werden sollte.

Vor Kurzem hob die Firma die Prognose für das Jahr 2021 an. Allerdings nicht wegen des florierenden operativen Geschäfts. Die Hamburger verkauften ihren 51-Prozent-Anteil an der MS Lotta-Auerbach, was im Jahr 2021 zu einem Veräußerungsgewinn von 5,2 Millionen Euro führt. Doch auch operativ läuft es weiterhin gut, und der Titel ist immer noch attraktiv bewertet. Genauso wie der Riese Møller-Mærsk. Aktuell kommt dieser auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von gerade Mal 3,2. Dennoch sollten Anleger immer auch die Preisentwicklung der Frachtraten im Auge behalten.

Was die Branche aktuell am stärksten belastet, sind Pläne für sogenannte Null-Emissions-Routen. Ziel ist es, bis 2025 mindestens sechs emissionsfreie Schifffahrtsrouten einzurichten. Weitere sollen dann in den folgenden fünf Jahren dazukommen. Die Analysten von Berenberg gehen davon aus, dass dies die Branche sechs Prozent des Umsatzes für eine mögliche CO2-Abgabe kosten könnte. Große Länder wie die USA, Großbritannien, Japan und Frankreich haben sich bereits dafür ausgesprochen. Die Reedereien reagieren: So hat Mærsk acht Schiffe bestellt, die sowohl mit Methanol als auch mit herkömmlichem Treibstoff fahren können. Hapag-Lloyd orderte Schiffe, die mit Diesel sowie mit Erdgas betrieben werden können. Zudem ist es gut möglich, dass die drohenden Verluste durch etwaige Verschmutzungsrechte an die Kunden weitergegeben werden können.

Sollten die Frachtraten noch eine Zeit lang auf dem aktuellen Niveau verharren, sind bei den Konzernen deutliche Kurssteigerungen drin. Günstig bewertet sind sie aktuell noch alle drei.

Auf einen Blick


Die Branche für Container-Reedereien erlebt einen nie gesehenen Boom. Durch die Probleme in der Lieferkette sowie eine extrem hohe Nachfrage explodieren die Preise für Frachtraten.