Ist die Grundsteuer-Reform verfassungswidrig? Dazu haben die obersten Finanzrichter nun zwei Beschlüsse veröffentlicht. Diese Punkte sind wichtig

Das Gerichtsverfahren:

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat ernsthafte Zweifel, dass die Bewertungsregeln des neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts, das ab 2025 gelten soll, rechtmäßig sind. Die Richter haben deshalb in Eilbeschlüssen die Vollziehung von Grundsteuerwertbescheiden ausgesetzt und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfragen die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen. Die obersten Finanzrichter haben die Beschwerden des Finanzamts zwar zurückgewiesen (BFH, Az. II B 78/23 und II B 79/23 ), in diesen Beschlüssen aber keine eindeutige Aussage zur Verfassungswidrigkeit getroffen. Steuerpflichtige müssten im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen, so der BFH.

Musterklage in Karlsruhe:

Da deswegen bereits Zweifel an der Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte bestanden, war vom BFH nicht mehr zu prüfen, ob die neue Grundsteuer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln bezüglich der zugrundeliegenden Bewertungsregeln unterliegt.„Somit bleiben verfassungsrechtliche Bedenken bestehen“, so Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke und Steuerzahlerbund-Präsident Reiner Holznagel zur am 12.Juni 2024  veröffentlichten BFH-Entscheidung. Die Musterverfahren sollen deshalb weiter betrieben werden: Haus & Grund und der Bund der Steuerzahler streben eine zeitnahe Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht an. Karlsruhe wird dann das letzte Wort bei  den anhängigen Klagen vor den Finanzgerichten haben.    


Umstrittene Reform: 

Die erheblichen Zweifel an der neuen Grundsteuer bleiben für beide Verbände existent: Sowohl die Bodenpreise als auch die Mietpreise, die Grundlage der Besteuerung sein sollen, seien vielerorts fernab jeder Realität und ihre Herleitung nicht nachvollziehbar, so die beiden Verbandspräsidenten.  

Aktuelle Rechtslage:

Nach derzeitigem Stand müssen alle Immobilieneigentümer, die einen Bewertungsbescheid erhalten haben, ab 2025 die neue Grundsteuer zahlen, auch wenn Einspruch eingelegt worden ist. Lediglich das Ehepaar, dessen Fall nun vom BFH entschieden wurde, muss aktuell keine neue Grundsteuer ab 2025 entrichten. 

Nach Auffassung des BFH bestehen bereits einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Grundsteuerwertfeststellungen in Bezug auf die Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte. Diese Zweifel ergäben sich daraus, dass den Steuerpflichtigen bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, auch wenn der Gesetzgeber einen solchen Nachweis nicht ausdrücklich geregelt habe.

In beiden Streitfällen kam der BFH zu dem Ergebnis, es sei bei summarischer Prüfung nicht auszuschließen, dass die Antragsteller jeweils aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten den erfolgreichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ihrer Grundstücke mit der erforderlichen Abweichung zu den festgestellten Grundsteuerwerten führen könnten.

Der Hintergrund:

Ab 2025 wird die Grundsteuer bundesweit neu festgesetzt. Damit der Fiskus die Grundsteuer neu berechnen kann, muss die Bewertung von rund 36 Millionen Grundstücken in Deutschland aktualisiert werden. Finanzämter stellen Immobilieneigentümern zunächst einen Grundsteuerwertbescheid und dann noch einen Grundsteuermessbescheid aus. Die Grundsteuer gehört zu den wichtigsten Einnahmequellen der Städte und Gemeinden. Sie ist von Immobilieneigentümern, denen Grundstücke, Gebäude sowie Land- und Forstwirtschaftsbetriebe gehören, jährlich zu entrichten.  

Lesen Sie auch: Immobilienmarkt: Ist das die Trendwende bei den Preisen?