Die Studie zeigt: Hier gibt es akuten Handlungsbedarf. In den Vordergrund rückt dabei insbesondere die Bedeutung des Börsenpreises. Um den Informationsgehalt des Börsenpreises zu gewährleisten, muss der Börsenpreis laut Börsengesetz ordnungsgemäß zustande kommen und die tatsächliche Marktlage widerspiegeln. Preise und die zugrunde liegenden Umsätze müssen unverzüglich allen Marktteilnehmern bekannt gemacht werden. Ziel dieser Vorschriften ist eine neutrale Preisermittlung, die Transparenz und Chancengleichheit fördert sowie Informationsasymmetrien zwischen den Marktteilnehmern reduziert.
In den vergangenen Jahren hat sich jedoch die Liquidität zunehmend weg vom hochregulierten Börsenhandel auf nichtregulierte außerbörsliche Handelsplätze verschoben. Da Letztere nur sehr wenig öffentlich zugängliche Informationen generieren, verliert der Börsenpreis dabei immer mehr an Aussagekraft. Seine wesentliche Signalfunktion über die gesamtwirtschaftliche Knappheit von Gütern und über die Attraktivität des Marktumfelds wird dadurch erheblich beeinträchtigt.
Hinzu kommt, dass Privatanleger auf außerbörslichen Plattformen nur wenig geschützt sind. Im Gegensatz zu regulierten Handelsplätzen unterliegen außerbörsliche Handelsplattformen keiner Betriebspflicht und können in schwierigen Handelsphasen die Preisfindung auch komplett einstellen. Darüber hinaus findet auch keine neutrale Überwachung des Handels statt, was an öffentlich-rechtlichen Börsen hingegen sogar von einem weisungsunabhängigen Börsenorgan, der Handelsüberwachungsstelle, durchgeführt wird.
Die Auswirkungen der Regulierung entsprechen also nicht unbedingt den ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers, nämlich Anlegern zur bestmöglichen Ausführung ihrer Wertpapierorders zu verhelfen. Für professionelle Marktteilnehmer, die sich selbst schützen können, mögen diese Rahmenbedingungen weniger problematisch sein. Schutzbedürftigkeit gegenüber diesem völlig intransparenten Markt würde ich aber insbesondere beim Privatanleger sehen.
Im Projektbericht macht Professor Feld deutlich, dass die öffentlich-rechtlichen Börsen durch Re-Regulierung in ihrer Rolle als zentraler Marktplatz gestärkt werden müssen. Die Überwachung und Regulierung der Preisbildung auf außerbörslichen Handelsplattformen könnte Informationsasymmetrien auf den Finanzmärkten abbauen und damit die Rolle des Preises als verlässliches Signal für Anleger stärken. Letzteres ist seit der Finanzkrise von besonderer Bedeutung für die Finanzmarktstabilität. Empirische Untersuchungen zeigen, dass außerbörsliche Handelsplätze über ein hohes Liquiditätsschöpfungspotenzial verfügen, das - wie im Vorfeld der Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 - nur unzureichend bekannt ist. Da diese Liquidität unbeobachtet bleibt und dies im Falle eines Schocks Unsicherheit verursacht, ist die Erfassung und Beobachtung von Marktpreisen auch an außerbörslichen Handelsplätzen erforderlich. Nur so lässt sich eine faire und transparente Preisfeststellung und damit letztlich ein größerer Schutz des Anlegers insgesamt sicherstellen.
Oliver Hans
Hans ist seit 2005 Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse. Nach einem VWL-Studium und Stationen in der Unternehmensberatung begann er seine Laufbahn an der Börse 1995 bei der hessischen Börsenaufsichtsbehörde. Die Börse Stuttgart ist die Privatanlegerbörse in Deutschland. Sie ist Marktführer im börslichen Handel mit verbrieften Derivaten in Europa und Unternehmensanleihen in Deutschland.