Das Thema Geldanlage empfinden die meisten Deutschen als lästig. Zum deutschen Mythos gehören Spareinlagen, deren Bedeutung nach Daten der Bundesbank seit der Finanzkrise wieder deutlich zugenommen hat. Offensichtlich schätzte man sie weiter als Hort der Stabilität. Und trotz der immer mickrigeren Zinsen (0,52% im Dezember 2014), liegt das Gesamtvolumen der Spareinlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist bis 3 Monaten stabil bei 530 Mrd. Euro.
Angesichts der Debatte um ins Negative gleitende Guthabenzinsen wird aber selbst der deutsche Sparer unruhig und sucht nach Alternativen. Zu den nicht mehr ganz so neuen, aber im Vergleich zu Spareinlagen, Anleihen, Aktien oder Fonds in Deutschland bisher kaum beachteten Alternativen gehört das sogenannte Peer-to-Peer-Lending (P2P-Lending), das eine Unterform des Crowdfundings darstellt (die verschiedenen Varianten habe ich bereits hier erklärt).
Beim P2P-Lending erhält ein Unternehmen oder eine Person über eine Internetplattform seinen Kredit von einer Gruppe von Einzelpersonen, die jeweils nur einen Bruchteil des gewünschten Kreditbetrags als Anlage investieren. Sie erhalten dafür zu fest vereinbarten Zeitpunkten Tilgungszahlungen und Zinsen, deren Höhe dabei abhängig vom potenziellen Risiko ist. Das Risiko nicht vereinbarungsgemäß geleisteter Kreditzahlungen versuchen die Internetplattform einzuschätzen und zeigen dazu die jeweilige Bonitätseinstufung der Kredite an.
Prinzipiell kann Jedermann über Lending-Plattformen unter bestimmten Mindestvoraussetzungen Geld anlegen. Entdeckt haben institutionelle Anleger schon seit längerer Zeit die Vorzüge dieser Anlageklasse. In Deutschland können Privatpersonen über Plattformen wie Smava, Finmar, Auxmoney, Lendico, Zencap oder Bondora Unternehmen und Personen Kredite zur Verfügung stellen. Die Plattform Auxmoney hat gerade bekannt gegeben, dass über ihre Plattform täglich über eine Million Euro pro Tag finanziert und damit auch angelegt werden. Trotz dieses Wachstums ist das Gesamtvolumen dieses Marktes in Deutschland noch gering. In Großbritannien, flossen nach einem Bericht der Financial Times im vergangenen Jahr über eine Milliarde Pfund in diese Anlageklasse. Das US-Unternehmen Lending Club hat gerade bekannt gegeben, dass über seine Plattform allein im letzten Quartal 2014 über 1,4 Milliarden US-Dollar neuer Darlehen finanziert wurden.
Auf Seite 2: Noch zu wenig Risikoinformationen der Plattformen
Noch zu wenig Risikoinformationen der Plattformen
Zum Standard der Plattformen gehören Information über die Risiken der Kredite. Diese Informationen allein reichen aber nicht aus, weil sie keine Auskunft über die Qualität der Bonitätseinstufungen geben. Die in Deutschland aktiven Plattformen stellen mit Ausnahme von Bondora und Smava keine ausreichenden Daten darüber zur Verfügung, wie gut ihre Risikoklassifizierungen in der Vergangenheit waren.
Vorbild könnten hier die Daten der führenden und mittlerweile börsennotierten US-Plattform Lending Club sein. Aus den bereitgestellten Daten können Anleger beispielsweise entnehmen, wie die ursprünglich vereinbarte Verzinsung war und welche tatsächliche Verzinsung Anleger effektiv nach Abzug von Ausfällen in den jeweiligen Risikoklassen erhalten haben (siehe Tabelle).
Quelle: Lending Club
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Auf die Diversifizierung kommt es an
Solche Daten sind natürlich nur Annäherungen, weil Anleger immer nur in einen Bruchteil der angebotenen Kredite investieren. Lending Club zeigt an anderer Stelle, dass man sich bei breiter Diversifizierung den in der Tabelle genannten effektiven Zinsen annähern kann.
Umgekehrt bedeutet das, je weniger breit ein Anleger streuen (= diversifizieren) kann, desto mehr schwanken seine erwarteten Zinsen um die angegebenen Werte. Ab einer Verteilung auf etwa 250 bis 300 Kredite sieht Lending Club eine P2P-Anlage als ausreichend diversifiziert an (geringe Volatilität in Bezug auf effektiven Zins). Im Klartext bedeutet dies: Wer 10.000 Euro in P2P-Kredite anlegen will, der müsste diese auf mindestens 250 Kredite á 40 Euro verteilen. Er hat dann aber auf Basis der historischen Daten eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er selbst bei der Wahl der Kreditklasse mit den höchsten Risiken immer noch eine Verzinsung von 8,33% erhält. Das klingt attraktiv und zieht in den USA und England viele institutionelle Investoren an.
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Für Diversifizierung ist Anlagen- oder Portfolio-Manager notwendig
Wer seinen Anlagebetrag auf 250 Kredite verteilen möchte, für den ist es freilich nicht praktikabel, sich jeden Kredit einzeln anzuschauen. Der zeitliche Aufwand für die Anlage wäre damit zu hoch. Viel bequemer ist es, wenn die Plattformen einen Anlagen- oder Portfolio-Manager anbieten. Solche "Bietagenten" erlauben, einen Einmalbetrag innerhalb eines bestimmten Zeitraums automatisch nach ausgewählten Kriterien anzulegen. Von den oben genannten in Deutschland aktiven Plattformen bieten Auxmoney, Bondora, Smava und Lendico einen solchen Manager an.
Um eine breite Diversifizierung hinzubekommen, muss man dabei aber Geduld mitbringen. Stichproben zeigen, dass die gleichzeitig angebotenen Kredite je Risikoklasse deutlich unter 250 liegen. Hier mangelt es noch an entsprechender Marktbreite.
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Interessante Anlageklasse
Die Ermittlung risikoadjustierter Kreditzinsen im Kreditgeschäft ist zwar keine Geheimwissenschaft, aber für den normalen Anleger eben nicht trivial. Daher ist es umso notwendiger, dass die Plattformen über eine entsprechende Statistik-Engine laufend transparent machen, wie gut ihre Bewertungen in der Vergangenheit gepasst haben. Erst wenn diese Informationen in ausreichender Güte zu Verfügung stehen und eine Automatisierungstool die Anlage erleichtert, empfiehlt sich diese Form der Anlage als echte digitale Anlageklasse. Ein Ersatz zum Sparbuch ist es freilich nicht, denn selbst bei optimaler Risikodiversifizierung können, das hat die Finanzkrise gezeigt, unvorhergesehene Ereignisse zu unangenehmen Abweichungen führen. Im Gegensatz zu Spareinlagen gibt es keine Einlagensicherung.
Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.