BERLIN (dpa-AFX) - Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, kritisiert den Vorstoß der Grünen für einen früheren Kohleausstieg in Ostdeutschland als unrealistisch. "Die Stromnetze sind nicht ausreichend ausgebaut, und auch der Ausbau der Erneuerbaren reicht noch nicht aus", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Wann dies gelinge, könne man "zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sicher sagen".
Die Grünen-Bundestagsfraktion berät bei einer Klausur bis Donnerstag über einen Vorschlag, den Kohleausstieg wie in Westdeutschland auch in den ostdeutschen Revieren von 2038 auf 2030 vorzuziehen, um die Klimaziele zu erreichen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar, Sprecher der Landesgruppe Ost, wies Schneiders Vorwürfe zurück.
Der Ostbeauftragte hatte gesagt: "Was mich stört, ist der unterschwellige Vorwurf: Was im Rheinischen Revier geht, muss doch im Osten erst recht irgendwie gehen." Die Menschen seien bereit für Veränderungen, doch müsse das Tempo leistbar sein. Ihm fehle die Anerkennung für die Leistung der Beschäftigten in den ostdeutschen Kohlerevieren - "nämlich dafür zu sorgen, dass Putin uns nicht erpressen konnte. Ohne sie wäre es nicht nur kalt gewesen, sondern es wäre auch das Licht ausgegangen."
Schon der Kohleausstieg 2038 sei an Bedingungen geknüpft. "Neben Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit gehört dazu die Netzstabilität", sagte Schneider. "Bevor diese Bedingungen nicht erfüllt sind, macht eine Diskussion um neue Ziele keinen Sinn."
Grünen-Politiker Gelbhaar konterte: "Sich in einem fatalen 'Weiter-So' zu üben, reicht aber nicht." Der Ostbeauftragte solle sich "für mehr Investitionen in den Osten stark machen, statt nur rumzumosern". Die Kombination von sauberer, bezahlbarer und sicherer Energie müsse das Ziel sein. Der Osten dürfe nicht erneut abgehängt werden, meinte der Grünen-Politiker.
Schneider richtete einen Appell an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): Dieser solle eine Regelung voranbringen, um die Ausgleichskosten für das sogenannte Abregeln von Windkraftanlagen bei einem Überangebot bundesweit umzulegen. Denn diese machten Strom im Osten besonders teuer. "Wir produzieren die meiste grüne Energie, und wir zahlen dafür den höchsten Preis - durch den Eingriff in die Natur und durch die hohen Strompreise", sagte der Ostbeauftragte. Eine Änderung würde die Akzeptanz erhöhen./vsr/DP/mis
Quelle: dpa-Afx