ESSEN (dpa-AFX) - Der Energiekonzern RWE
DAS IST LOS BEI RWE:
Die Corona-Pandemie konnte RWE nichts anhaben, das Wetter rund um den Globus hat dagegen schon größeren Einfluss auf den Energiekonzern. Und so kann extremes Winterwetter in den USA bei einem deutschen Energiekonzern für finanzielle Einbußen sorgen. Als in Teilen der USA vor einigen Wochen ein schwerer Wintereinbruch für Chaos sorgte, standen nämlich auch die dortigen Windkraftanlagen der Essener plötzlich still.
Netzprobleme und Vereisungen führten zu den Ausfällen, die laut RWE das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) des Segments Onshore Wind/Solar im laufenden Jahr mit einem niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag belasten werden. Das Problem war: RWE hatte bereits Strom aus den Windkraftanlagen vorab verkauft, um die Verträge zu erfüllen, musste der Konzern Strom teuer zukaufen.
Gerade das Portfolio an Wind- und Solaranlagen hat RWE im vergangenen Jahr konstant erweitert und damit seine "Wachstumsstrategie konsequent umgesetzt". In einem Jahr, in dem viele Unternehmen wegen der Pandemie zum sparen gezwungen waren, investierte RWE. Frisches Geld hatte sich das Unternehmen im Sommer noch mit Hilfe einer Kapitalerhöhung besorgt. Dass die Corona-Krise kaum Auswirkungen auf das Geschäft hat, war bereits früh klar. Während Konkurrent Eon im Jahresverlauf seine Ziele zusammenstreichen musste, zeigte sich RWE unbeeindruckt.
Gute Zahlen für 2020 kommen somit nicht unbedingt überraschend, RWE hat seine eigene Prognose für das abgelaufene Jahr allerdings noch übertroffen. Wie das Unternehmen Anfang Februar auf Basis vorläufiger Zahlen mitteilte, hatte vor allem der Energiehandel zum Jahresende noch mal an Fahrt aufgenommen. Das bereinigte operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) stieg auf 1,8 Milliarden Euro, angepeilt hatte das Management maximal 1,5 Milliarden. Auch beim Nettoergebnis lief es für RWE im vergangenen Jahr mit 1,2 Milliarden Euro deutlich besser als gedacht.
RWE-Finanzchef Markus Krebber sprach von einem "hervorragenden Ergebnis". Besonders stark stieg zwar das Ergebnis in der Sparte Offshore Wind dank guter Windbedingungen im ersten Jahresviertel. Der besonders volatile Energiehandel blieb allerdings trotz des Endspurts zum Jahresende auf Gesamtjahressicht hinter dem außergewöhnlich hohen Ergebnis von 2019 zurück. Jetzt erwarten Analysten am morgigen Dienstag auf den Ausblick für das laufende Geschäftsjahr.
Was allerdings bereits feststeht für dieses Jahr, ist, dass Konzernchef Rolf Martin Schmitz RWE verlässt. Sein Nachfolger wird der aktuelle Finanzvorstand Markus Krebber. "Ich war seit 1998 in Vorstandspositionen, irgendwann ist dann auch mal gut." Die Hauptversammlung sieht er nun als den "perfekte Zeitpunkt für die Übergabe".
DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:
Zu den Wetter-Eskapaden in Texas haben sich auch Analysten geäußert: Zum einen rechne der Versorger wegen der Wettersituation mit einer Belastung. Zum anderen seien in den letzten Wochen aber auch die Zinsen gestiegen, was die Attraktivität der ohnehin im Branchenvergleich unterdurchschnittlichen Dividendenrendite weiter schmälere, kommentierte Sven Diermeier vom US-Analysehaus Independent. Deshalb senkte er sein Kursziel auf 34 Euro und gehört damit zu den Experten, die der RWE-Aktie eher wenig zutrauen.
Ahmed Farman vom US-Analysehaus Jefferies geht davon aus, dass die Einbußen in Zusammenhang mit dem Wetter in den USA die Konsensschätzung für das operative Ergebnis (Ebitda) 2021 um rund zehn Prozent sinken lassen dürften. Einige Experten verweisen auf die Belastung als Einmaleffekt und bewerten sie damit als Einstiegschance.
Ein weiteres Thema die Einigung mit der Bundesregierung über eine Entschädigung für den beschleunigten Atomausstieg. Laut Deepa Venkateswaran vom US-Analysehaus Bernstein Research hat diese ein sehr erfreuliches Ereignis sowohl für Eon als auch für RWE geliefert. Mit 880 Millionen Euro bekomme RWE viel mehr als die am Markt erwarteten 300 bis 400 Millionen.
Insgesamt überwiegen im dpa-AFX-Analyer die Kaufempfehlungen für die RWE-Aktie: 10 von 13 seit Februar gelisteten Experten würden die Aktie derzeit in ihr Depot aufnehmen. Nur drei plädieren für halten. Verkaufsempfehlungen gibt es keine. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 41 Euro.
DAS MACHT DIE AKTIE
Dem durchschnittlichen Kursziel kam die Aktie zu Jahresbeginn mit 38,65 Euro - dem höchsten Stand seit zehn Jahren - bereits sehr nahe. Zuletzt gab der Kurs aber wieder nach und lag mit etwas mehr als 32 Euro leicht unter dem Niveau von Mitte Februar 2020, also kurz vor dem Corona-Börsencrash.
Analysten setzten die jüngsten Kursverluste neben dem Texas-Unwetter unter anderem in Zusammenhang mit der Ausschreibung britischer Offshore-Windprojekte. Die zum Zuge gekommenen Konzerne wie etwa RWE müssten im Voraus Milliarden bezahlen für Projekte mit einem gewissen Umsetzungsrisiko.
Hinzu kommt der jüngste Renditeanstieg am Markt für Staatsanleihen, der auf steigende Inflationserwartungen zurückzuführen ist. Höhere Zinsen können die Aktien von Versorgern gleich zweifach belasten: Zum einen könnten über Fremdkapital finanzierte, kapitalintensive Projekte der Versorger dann teurer werden; zum anderen verlieren Versorgerwerte als klassische Dividendentitel an Attraktivität, wenn die Renditen am Anleihemarkt wieder steigen.
Mit dem aktuellen Niveau hat sich die Aktie aber zumindest wieder kräftig vom Corona-Crash-Tief von 20 Euro erholt. Mit einem Minus von knapp drei Prozent seit Mitte Februar gehört das Papier am Aktienmarkt zu den Verlierern in diesem Zeitraum. Zum Vergleich: Der Dax legte in der Zeit knapp sechs Prozent zu. RWE schnitt aber immerhin noch deutlich besser als Eon
In den vergangenen fünf Jahren gehörte die Aktie mit einem Plus von 200 Prozent allerdings zu den größten Gewinnern im Dax. Sie profitierte dabei unter anderem vom Klimahype an der Börse angesichts des Fokus des Konzerns auf Erneuerbare Energien. So verlieren die Verstromung von Kohle, Gas sowie Kernkraft schrittweise an Bedeutung für das Unternehmen.
Trotz der Erholung in den vergangenen Jahren zählen die Titel wie auch die Eon-Anteile zu den großen Verlierern seit der Finanzkrise - die ist unter anderem auf die politischen Kurswechsel in der Energiepolitik zurückzuführen. So büßte das RWE-Papier seit dem Rekordhoch von rund 102 Euro im Jahr 2008 fast 70 Prozent ein; Eon-Aktien verloren seitdem sogar 80 Prozent.
Der Kursverlust spiegelt sich auch in der Bedeutung im Dax wider. So sind die beiden Unternehmen an der Börse derzeit jeweils nur noch etwas mehr als 20 Milliarden Euro wert und liegen damit in der unteren Hälfte des deutschen Leitindex. Das war 2008 noch anders - da war Eon mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 100 Milliarden Euro der wertvollste deutsche börsennotierte Konzern und RWE rangierte mit mehr als 50 Milliarden Euro noch in der Top Ten./knd/zb/mis
Quelle: dpa-Afx