Der aktivistische Aktionär Enkraft hat seine Forderungen nach einer raschen Abspaltung des Braunkohlegeschäfts beim Versorger RWE weiter verschärft. Enkraft verlangt nicht nur den raschen Ausstieg aus dem fossilen Geschäft, sondern auch eine personelle Erneuerung im RWE-Aufsichtsrat. "Dort gibt es kaum Mitglieder mit Expertise auf dem Gebiet erneuerbare Energien - das ist absurd", heißt es bei Enkraft. Einige Mitglieder seien zudem über der RWE-Altersgrenze von 72 Jahren für Aufsichtsräte. "Der Nominierungsausschuss sollte Kandidaten für eine sinnvolle Ergänzung des Aufsichtsrats suchen."
Unterstützung bekommt der Aktivist aus Unterhaching bei München, der nach früheren Angaben 500 000 RWE-Aktien hält, inzwischen auch von etablierten Fondsgesellschaften wie Union Investment und Deka. "Grundsätzlich ist jede Diskussion zur CO2-Reduktion zu begrüßen", sagte Deka-Nachhaltigkeitsexperte Ingo Speich gegenüber €uro am Sonntag. "Daher kann man über den Vorschlag eines Ausstiegs diskutieren." Dabei müssten auch soziale Aspekte wie Arbeitsplätze einbezogen werden. Ähnlich äußerte sich Union-Investment-Experte Henrik Pontzen: "Ein Vorziehen des Ausstiegs auf 2030 würden wir in puncto Nachhaltigkeit sehr begrüßen." Beide Fondsgesellschaften halten jeweils rund ein Prozent der RWE-Aktien.
"Signifikanter Kursabschlag"
Das Thema dürfte die Hauptversammlung am 28. April beherrschen, auf der sich auch Speich noch ausführlicher äußern will. RWE-Finanzchef Michael Müller verwies im Interview mit €uro am Sonntag darauf, dass RWE den Kohleausstieg längst eingeleitet habe, warnte aber vor einem übereilten Ausstieg. Ein schnellerer Ausstieg aus der Kohle bis 2030 sei aber machbar, wenn es gelinge, den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze bis dahin massiv zu beschleunigen und neue Gaskraftwerke für die Versorgungssicherheit zu errichten.
RWE hat sich in den ver- gangenen Jahren zu einem der größten Ökostromproduzenten Europas gewandelt. Enkraft zufolge ist der Versorger jedoch mit seinem Braunkohlegeschäft gleichzeitig einer der größten CO2-Emittenten. "Die RWE-Aktie handelt zu einem signifikanten Abschlag zu Wettbewerbern, die sich auf erneuerbare Energien konzentrieren", rechnet man bei Enkraft vor. "Dieser Abschlag entspricht etwa dem sechsfachen Vorsteuer-(Ebitda-)Ergebnis oder 16 bis 18 Milliarden Euro Börsenwert."
Zudem sei das Braunkohlegeschäft mit 100 bis 200 Millionen Euro Ergebnisbeitrag nicht mehr wirklich relevant für den RWE-Konzern mit einem Gesamt-Ebit von zwei bis 2,5 Milliarden Euro. Deshalb sei der Ausstieg ökonomisch sinnvoller. So könne man auch die heutige Unterbewertung am Kapitalmarkt schnell aufholen. Dadurch könnten viele Investoren wieder in RWE investieren, denen das zuletzt aufgrund von ESG-Kriterien nicht mehr möglich war, heißt es bei Enkraft.
Die RWE-Aktie hat in den vergangen Monaten vor allem von den steigenden Strompreisen profitiert. Erst vergangene Woche hatte der Konzern seine Gewinnprognose für 2022 erneut angehoben, woraufhin der Aktienkurs zeitweise auf den höchsten Wert seit knapp elf Jahren stieg. So erwartet RWE 2022 beim bereinigten Vorsteuer-(Ebitda-)Ergebnis zwischen 3,6 und 4,0 (bisher 3,3 bis 3,6) Milliarden Euro.
Loeb sitzt Shell im Nacken
In einem ähnlich gelagerten Fall hatte sich Mitte 2021 der US-Aktivist Daniel Loeb über seinen Hedgefonds Third Point beim Ölkonzern Shell eingekauft und dort ebenfalls eine Aufspaltung in ein Unternehmen für fossile Brennstoffe und eines für erneuerbare Energien gefordert. Viel hat man seitdem von Loeb nicht mehr gehört. Zumindest hat er einen guten Einstiegszeitpunkt erwischt. Die Shell-Aktie hat seitdem um 40 Prozent zugelegt.
nachgehakt
RWE » Finanzvorstand Michael Müller sieht Versorger auf dem rechten Weg und warnt vor Panik
€uro am Sonntag: Warum steigt RWE nicht schneller aus der Braunkohle aus?
Michael Müller: Der Kohleausstieg bei RWE ist bereits in vollem Gange. Darüber hinaus sagen wir seit Monaten, dass auch ein schnellerer Ausstieg aus der Kohle bis 2030 machbar ist, wenn es gelingt, den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze bis dahin massiv zu beschleunigen und neue Gaskraftwerke für die Versorgungssicherheit zu errichten, die später mit grünem Wasserstoff betrieben werden können. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass ein beschleunigter Kohleausstieg nur geordnet erfolgen kann, im Einvernehmen mit der Politik und unter Abwägung aller Interessen, auch gegenüber unseren Mitarbeitern und der Region.
Wird die RWE-Aktie mit einem Braunkohle-Abschlag an der Börse gehandelt?
RWE hat eine klare Wachstumsstrategie "Growing Green". Seit Bekanntgabe im November ist die RWE-Aktie auch im Verhältnis zu Mitbewerbern überproportional deutlich gestiegen. Damit hellt sich unsere Bewertung weiter auf und wir fühlen unsere Strategie bestätigt. Auch andere große Investoren wie Blackrock haben zuletzt vor der Abspaltung auslaufender Geschäfte gewarnt, die dann in weniger verantwortungsvolle Hände fallen würden.
Geben die hohen Strompreise Rückenwind für die grüne Transformation von RWE?
RWE wird grüner, größer und werthaltiger - das ist unsere Strategie. Bis 2030 investieren wir 50 Milliarden Euro in den Ausbau unserer grünen und flexiblen Erzeugungskapazität auf 50 Gigawatt. Für dieses Wachstum sind wir finanziell bestens gerüstet. Den Großteil finanzieren wir aus unserem starken operativen Cashflow. Daneben nutzen wir andere Möglichkeiten wie Green Bonds. Unsere letzte Kapitalerhöhung 2020 war nahezu dreifach überzeichnet, ein weiterer Beleg unserer soliden Finanzlage. ehr