Trotz der Rekordfahrt des DAX und des Stoxx Europe 600 haben die zwischenzeitlichen Börsenturbulenzen viele Investoren zuletzt etwas verunsichert. Sie haben daher ihre Portfolios umgeschichtet. In dem Umfeld waren vor allem Aktien von Unternehmen aus defensiven, also kaum konjunkturabhängigen Sektoren wie Nahrungsmittel, Gesundheit, Telekom und Versorger gefragt. Sollte die Volatilität an den Märkten zunehmen, könnte gerade letztere Branche zu den Favoriten der Anleger gehören, zumal sich die Aussichten verbessern.

Das Fortschreiten der Impfkampagne in Europa dürfte in den kommenden Monaten für eine deutliche Konjunkturbelebung sorgen, womit die Industrieproduktion merklich in Schwung kommen sollte. Damit dürfte auch die Nachfrage nach Strom und Gas zulegen.

Zugleich bauen viele europäische Versorger ihr Geschäft zügig in Richtung erneuerbare Energien um. Erdgas ist spürbar teurer geworden, was die Großhandelspreise für Strom nach oben treibt. Zudem geht der Konsolidierungsprozess in der Branche weiter, wenn der französische Versorger Veolia Environnement den heimischen Wettbewerber Suez Environnement für 13 Milliarden Euro kauft (s. Ausgabe 19).

In dem Umfeld hat Deutschlands größter Versorger Eon im ersten Quartal den bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 14 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro gesteigert. Davon entfielen rund zwei Drittel auf die Sparte Energienetze, der Rest auf den Bereich Kundenlösungen mit dem Strom- und Gasvertrieb sowie anderen Produkten und Dienstleistungen. Dabei hatte das normalisierte Winterwetter für einen höheren Gasabsatz gesorgt. Zudem hatte der Konzern das Großbritannien-Geschäft zügig restrukturiert. "Wir haben schnell die so wichtige Kehrtwende in unserem UK-Geschäft erreicht. Wir machen dort nach sorgenvoller Zeit ab dem Geschäftsjahr 2021 einen operativen Gewinn", sagte der neue Vorstandschef Leonhard Birnbaum auf der virtuellen Hauptversammlung am 19. Mai.

Er bekräftigte daher die Jahresprognose. So soll das bereinigte Ebit 3,8 bis vier Milliarden Euro erreichen, gegenüber den 3,8 Milliarden für 2020. Der operative Gewinn werde im Bereich Energienetze zwar sinken, gerade aufgrund höherer Aufwendungen in Deutschland. Das soll allerdings durch einen deutlich höheren Profit in der Sparte Kundenlösungen mindestens wettgemacht werden, insbesondere durch die Restrukturierung in Großbritannien. Die Analysten sind optimistisch, ihre Schätzungen liegen bei knapp über vier Milliarden Euro. Der Firmenlenker stockt außerdem die Investitionen von 4,2 Milliarden für 2020 auf 4,9 Milliarden Euro für das laufende Jahr auf.

Ehrgeizige Mittelfristziele

Zudem bestätigte der Vorstandschef die Mittelfristziele. Von 2021 bis 2023 soll das Ebit um durchschnittlich acht bis zehn Prozent zulegen, der Gewinn je Aktie sogar um zwölf bis 14 Prozent im Schnitt. Große Erwartungen hat Birnbaum gerade an das Netzgeschäft, das eine regulierte Kapitalbasis von 34,9 Milliarden Euro hat und durch das Wachstum der erneuerbaren Energien und den schnellen Ausbau der Elektromobilität kräftig expandieren soll. "Unser reguliertes Netzgeschäft wächst also mit dem Voranschreiten der Energiewende - allein bis 2023 um jährlich vier bis fünf Prozent. In Summe fließen bis dahin 90 Prozent unserer Investitionen in den Aufbau kundenzentrierter Infrastruktur für die Energiewende", sagte Birnbaum. Das geplante Gewinnwachstum soll es Eon ermöglichen, die Dividende um bis zu fünf Prozent pro Jahr zu erhöhen. Von großer Bedeutung sind zudem die Synergieziele, die durch die Integration der ehemaligen RWE-Tochter Innogy angepeilt werden. Für 2021 liegt das Ziel bei 310 Millionen Euro, bis 2024 sollen es 780 Millionen Euro werden.

RWE prognostiziert Gewinnrückgang

Hingegen ist der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von RWE im ersten Quartal um ein Drittel auf 883 Millionen Euro eingebrochen. Verantwortlich dafür war hauptsächlich die Kältewelle in Texas, die zum Ausfall mehrerer Windkraftanlagen geführt hatte. Da RWE aber Strom auf Termin verkauft hatte und daher kurzfristig teuer zukaufen musste, führte das zu Belastungen von 400 Millionen Euro. Dennoch bestätigte der neue Vorstandschef Markus Krebber die Prognose für das Gesamtjahr. So soll das bereinigte Ebitda auf 2,65 bis 3,05 Milliarden Euro zurückgehen, gegenüber 3,3 Milliarden für 2020. Hauptgrund dafür sind die Belastungen durch die Kältewelle. Die Schätzungen der Analysten für das konzernweite Ebitda liegen mit drei Milliarden Euro allerdings am oberen Rand des Ausblicks von RWE.

Krebber will außerdem die Investitionen kräftig aufstocken. Dabei fließt eine Menge Geld in den Bau der Offshore-Windparks in der britischen Nordsee, in der Nähe von Helgoland sowie in Onshore-Windkraft- und Solarprojekte in den USA und Europa. Der Konzern errichtet derzeit Windkraft- und Solaranlagen sowie Batteriespeicher mit einer installierten Kapazität von 3,7 Gigawatt (GW), womit die Leistung bis 2022 auf mehr als 13 GW erhöht werden soll. Trotz des erwarteten Gewinnrückgangs soll die Dividende für 2021 um fünf auf 90 Cent steigen. Zudem dürften Investoren allmählich darauf schauen, dass das Ebitda laut dem Konsens der Analysten 2022 auf 3,3 Milliarden Euro steigen soll, woraufhin die Aktie aus dem Seitwärtstrend der vergangenen Monate nach oben ausbrechen dürfte.

Duo mit ambitionierten Plänen

Aussichtsreich ist auch das Papier des italienischen Versorgers Enel. Mit einem Indexgewicht von 15,7 Prozent ist es das schwerste im Branchenindex Stoxx Europe 600 Utilities. Enel hat zwar für das erste Quartal einen Rückgang des bereinigten Ebitda um 12,3 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro gemeldet, vor allem durch das schwächere Geschäft in Spanien. Dennoch will Vorstandschef Francesco Starace den operativen Gewinn im laufenden Jahr auf 18,7 bis 19,3 Milliarden Euro steigern, gegenüber 17,9 Milliarden für 2020.

Für Fantasie sorgen zudem die Mittelfristziele für 2021 bis 2023 sowie jene bis 2030. So will der Konzern bis 2030 insgesamt 160 Milliarden Euro investieren und gleichzeitig Partner dazu bewegen, 30 Milliarden Euro beizusteuern. Durch die massiven Investitionen in erneuerbare Energien soll die installierte Kapazität auf rund 120 GW nach oben schießen, gegenüber zuletzt rund 49 GW, womit Enel schon jetzt die weltweite Nummer 1 ist.

Zudem werde eine Menge Geld in Infrastruktur und Netze gesteckt. Durch die Maßnahmen soll das bereinigte Ebitda bis 2030 um durchschnittlich fünf bis sechs Prozent pro Jahr zulegen. Auf Basis des geplanten Gewinnwachstums will Starace die Dividende in den kommenden drei Jahren in festgelegten Schritten steigern und für 2023 43 Cent ausschütten (siehe Grafik). Wir stufen die Aktie auf "Kaufen" hoch und passen das Kursziel an.

Die Nummer 2 im europäischen Branchenindex ist der spanische Versorger Iberdrola mit einem Gewicht von 15 Prozent. Er hat ebenfalls ehrgeizige Pläne. Vorstandschef Ignacio Galan will von 2020 bis 2025 insgesamt 68 Milliarden Euro investieren, davon fließen 34,7 Milliarden in erneuerbare Energien, 27,2 Milliarden in die Netze und der Rest in Kundenlösungen. Zudem übernimmt das Unternehmen für sieben Milliarden Euro die US-Firma PNM Resources. Durch die Investitionen soll die Kapazität bei erneuerbaren Energien bis 2025 auf 60 Gigawatt zulegen, bis 2030 sogar auf 95 Gigawatt, gegenüber 35,1 GW zuletzt. Da Iberdrola ohnehin zu den umweltfreundlichsten Unternehmen der Branche gehört, will das Unternehmen bis 2030 klimaneutral werden.

Der Firmenlenker möchte das Ebitda bis 2025 auf 15 Milliarden Euro steigern, was ein Plus von fünf Milliarden gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 bedeuten würde und einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum um sieben Prozent entspricht. Mit einem Anstieg der Investitionen für das erste Quartal 2021 um satte 45 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro hat Galan ein klares Zeichen gesetzt.

AUF EINEN BLICK Versorger

Defensiver Sektor: Die Branche erholt sich von der Pandemie. Viele Unter- nehmen bauen ihr Geschäft um, weg von fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas hin zu Solarenergie und Wind- kraft. Das sollte für eine solide Ergebnisverbesserungen sorgen.