Kaum eine Branche ist derzeit so im Wandel wie die Versorger. Angestoßen durch die Atomreaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011 hat die Politik den Markt kräftig aufgemischt und Eon sowie RWE vor große Herausforderungen gestellt. Nach Jahren der Unsicherheit ist die weitere Marschroute nun klar: RWE als einstiger Kohlekraftwerkspezialist vollzieht eine 180-Grad-Wende und wird einer der global wichtigsten Ökostromanbieter. Angesichts der weltweiten Klimadiskussionen könnte RWE kräftig profitieren. Die Aktie zählt mit plus 40 Prozent seit Jahresbeginn zu den besten DAX-Aktien.
Eon fokussiert sich hingegen auf die nötige Infrastruktur. Mit rund 50 Millionen Kunden und 1,5 Millionen Kilometer Verteilernetz für Strom und Gas steigen die Düsseldorfer in Europa zum größten Infrastrukturbetreiber auf. Erstmals besteht somit keine direkte Konkurrenzsituation mehr zwischen RWE und Eon. Auch die konventionellen Kraftwerke sind bei Eon kein Thema mehr und seit drei Jahren bei der Tochter Uniper angesiedelt. Für Eon ist der Innogy-Kauf auf den ersten Blick durchaus attraktiv: Die Netz-Infrastruktur ist reguliert, sichere Einnahmen in Milliardenhöhe ermöglichen eine gute Planung. Hohe Synergien, die Marktführerschaft im Vertrieb und im stabilen Netzgeschäft sind klare Argumente für die Aktie, Optimisten rechnen mit steigender Dividende.
Verschuldung springt an
Allerdings gibt es auch Unsicherheitsfaktoren. Eine zu strenge Regulierung wäre negativ, in einigen osteuropäischen Ländern sind entsprechende Tendenzen bereits zu beobachten. Auch die Margenschwäche in Westeuropa bremst die Fantasie. Neue Technologien und Entwicklungen wie intelligente Stromzähler und die breite Versorgung mit E-Mobilität bieten zwar Chancen, zuvor sind aber auch hohe Investitionen nötig. Mit dem Innogy-Deal wird RWE zugleich Großaktionär bei Eon und hält knapp 17 Prozent. Für beide Seiten möglicherweise ein cleverer Deal: Die Essener erhalten tiefe Einblicke in die operative Entwicklung bei Eon, während die Düsseldorfer auch mit eigenen Aktien bezahlen und so die Finanzen schonen.
Nicht zu unterschätzen sind aber die Herausforderungen in Großbritannien. Eon übernimmt auch das kriselnde Geschäft der verlustreichen britischen Innogy-Tochter npower. Die Preisobergrenze auf der Insel sowie der starke Wettbewerb könnten sich als große Hürde erweisen. Dazu kommen hohe Schulden, mit der nPower-Integration springen die Verbindlichkeiten bei Eon auf 35 Mrd. Euro. Der Blick auf die Zinsmärkte darf daher nicht fehlen. Solange die Zinsen unten bleiben und das günstige Niveau genutzt wird, um hochverzinsliche Papiere durch attraktivere Anleihen zu ersetzen, ist die höhere Verschuldung nicht so kritisch zu sehen. Einige Analysten sehen aber eher Risiken und unter dem Strich wenig Spielraum für steigende Ausschüttungen. Für Dividendenjäger bleiben die Papiere dennoch interessant, aktuell führt Eon die Rangliste der DAX-Aktien mit einer Verzinsung von fünf Prozent an.
Blick auf 2020
Branchenkollege RWE präsentierte bereits Mitte November seine Bilanz und konnte die erfreuliche Geschäftsdynamik auch im dritten Quartal fortsetzen. Besonders das Segment Energiehandel entwickelte sich erfreulich. Eon öffnet am 29. November die Bücher. Anfang August belasteten vor allem die Schwierigkeiten in Großbritannien das Geschäft und führten zu einem Ergebnisrückgang im Segment mit Kundenlösungen. Der Konzernumbau wird noch viel Zeit benötigen, Anleger müssen sich in Geduld üben. Wahrscheinlich im März 2020 werden die Ziele für die "neue" Eon veröffentlicht, der Termin dürfte die Weichen stellen.
Ein Einstieg drängt sich somit nicht auf, auch aus technischer Sicht besteht kein Handlungsdruck. Abgesehen von einer kurzen Pause pendelt der Kurs seit 2016 in einer Spanne zwischen 7,85 bis zehn Euro. Aus taktischer Sicht können Trader unterhalb von 8,30 Euro einsteigen und auf einen Rücklauf setzen, das Potenzial bleibt aber überschaubar.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.
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