Das ist schon überraschend: Während in Deutschland und in Italien das Wachstum praktisch zum Stillstand gekommen ist, entwickelt sich die Konjunktur in Frankreich, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, recht dynamisch. Um 1,3 Prozent soll die Wirtschaft dieses Jahr im Nachbarland zulegen, bei uns sind es wohl nur 0,5 Prozent.

Das kommt auch deshalb überraschend, weil Frankreich in den zurückliegenden Monaten immer wieder von sozialen Unruhen erschüttert wurde. Aktuell wird gegen die Rentenreform protestiert, zuvor revoltierten die "Gelbwesten" landesweit und gewalttätig gegen die Wirtschafts­politik der Regierung - und trotzdem das relativ starke Wachstum.

Ein Grund für die gute Konjunktur ist sicherlich, dass die französische Wirtschaft weniger vom globalen Güterhandel abhängig ist wie etwa die deutsche und daher auch weniger betroffen vom weltweiten Produktionseinbruch der Industrie.

Erst Hollande, jetzt Macron


Doch noch viel wichtiger ist, dass in Frankreich eifrig reformiert wird - Proteste hin oder her. Angestoßen wurde dabei schon einiges von der Regierung unter François Hollande. Der aktuelle Präsident Emmanuel Macron treibt dies nun weiter voran. Ein Kern ist das neue Arbeitsrecht: Hier wurde beispielsweise die Einkommensteuer reduziert. Zudem beschlossen Regierung und Parlament im Dezember 2018 und April 2019 geringere Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer, Steuererleichterung für Überstunden und tiefere Grundsteuern - auch wegen des Drucks durch die Proteste. Mit Erfolg: Der Anteil an unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen steigt. Seit 2017 wurden jedes Jahr rund 280 000 Stellen geschaffen. Macrons Ziel: eine Arbeitslosenquote von sieben Prozent oder weniger bis 2022.

Also nichts zu sehen von den befürchteten "italienischen Verhältnissen" oder dass Frankreich immer weiter hinter ­Europas Primus Deutschland zurückfällt. Im Gegenteil: Im Unterschied zu den beiden anderen großen Volkswirtschaften des Kontinents steigt die Binnennachfrage. Dieses Jahr werden die Ausgaben inflationsbereinigt um 1,3 Prozent zunehmen, nächstes Jahr noch einmal um 1,7 Prozent. Das geht deswegen, weil die Kaufkraft dieses Jahr doppelt so stark zugelegt hat wie 2018. Doch die Franzosen geben das Mehr an Geld nicht nur aus, nein, sie legen es zum Teil auch zurück: Die Sparquote stieg zuletzt von 14 auf 15 Prozent.

Appell mit Folgen


Für die Unternehmen wird auch etwas getan: Die Körperschaftsteuer wird deutlich reduziert. Der Appell des gerade abgetretenen ehemaligen EZB-Chefs Mario Draghi, dass die Fiskalpolitik die EZB unterstützen müsse, hat in Paris Gehör gefunden. Allerdings hat das seinen Preis: Das Haushaltsdefizit ist auf 3,1 Prozent der Wirtschaftsleistung angestiegen und verletzt den Stabilitätspakt. Immerhin: Die Unternehmen investieren kräftig.

Wie auch immer: Es gibt spannende ­Aktien, etwa Dassault Systèmes. Der Softwarekonzern transformiert mit seinen 3-D-Softwarelösungen ganze Produktionsprozesse. Der Softwareeinsatz ist branchenübergreifend möglich: So arbeitet Reifenhersteller Bridgestone genauso mit Dassault-Software wie das weltweit größte Minenunternehmen BHP, das mit Dassault die Bergbauindustrie digitalisieren will. Die Software Catia wiederum, die vor allen beim Entwurf und Bau von Flugzeugen zum Einsatz kommt, wird vermutlich auch zum Wiederaufbau des zerstörten Pariser Wahrzeichens ­Notre-Dame verwendet. Lohn für Dassault: Umsatz und Gewinn steigen seit Jahren stetig an.

Spannend ist außerdem Edenred - einst als Accor Services bekannt. Das Unternehmen ist Weltmarktführer im Bereich Bezahlservices für Unternehmen, Arbeitnehmer und Händler als Akzeptanzpartner. Das Ganze läuft traditionell über Gutscheine - etwa Essensmarken -, aber längst auch digitalisiert, so zum Beispiel in Form von Zahlkarten (wie Tankkarten) oder App-­basiert. Selbstbewusst gibt sich der Rückversicherer Scor. Mit weltweit mehr als 40 Niederlassungen gehört er zu den fünf größten Unternehmen der Branche. 2018 machte er Schlagzeilen, als die acht Milliarden Euro starke Übernahmeofferte des Versicherers Covéa abgeschmettert wurde. "Viel zu wenig", meinte Unternehmens­chef Denis Kessler damals. Das Unternehmen bleibt aber Übernahmekandidat in einer Branche, die mehr und mehr konsolidiert.