Gerade erst hob Johnson & Johnson (J & J) nach einer überraschend guten Zwischenbilanz für das zweite Quartal die Prognose für das laufende Gesamtjahr an - zum zweiten Mal seit Jahresbeginn. Die Aktie stieg zwischenzeitlich bis auf 126 Dollar und war damit so teuer wie nie zuvor.
Zu verdanken hat der Hersteller von Penaten-Pflegeprodukten und Neutrogena-Creme die guten Aussichten vor allem seinem einträglichen Pharmageschäft, das im vergangenen Jahr knapp die Hälfte zum gesamten Konzernumsatz beisteuerte.
Im laufenden Jahr soll der Umsatz nun insgesamt um 0,3 Milliarden höher ausfallen als bislang erwartet und am Jahresende bei 71,5 bis 72,2 Milliarden US-Dollar liegen. Konzernweit waren die Erlöse im zweiten Quartal um knapp vier Prozent auf 18,5 Milliarden US-Dollar (16,7 Milliarden Euro) gestiegen. Den kräftigsten Wachstumsbeitrag leistete hierbei das Immunologiegeschäft: allen voran das Arthritismittel Remicade, dessen Umsatz im zweiten Quartal allein in den Vereinigten Staaten um knapp 14 Prozent auf 1,24 Milliarden Dollar stieg.
Doch ausgerechnet dieser Blockbuster - so nennt man Arzneimittel, die jährlich mehr als eine Milliarde Umsatz erzielen - könnte dem Konzernvorstand nun Bauchgrimmen bereiten: Ein US-Bundesgericht befand vor wenigen Tagen, dass das Patent des Kassenschlagers nicht von dem Biosimilar, einem Nachahmerprodukt also, des Wettbewerbers Pfizer tangiert wird - und erklärte das Patent für ungültig.
Bittere Pille für J & J: Remicade, ein Medikament gegen Morbus Crohn und rheumatoide Arthritis, wurde 1998 in den USA zugelassen und entwickelte sich unmittelbar zum wichtigsten Produkt von J & J. Im vergangenen Jahr lag das Umsatzvolumen bei 6,56 Milliarden US-Dollar, 4,5 Milliarden davon wurden in den USA erzielt.
Obwohl J & J sofort ankündigte, Berufung einlegen zu wollen, für den Konzern aus Brunswick bleibt es bitter: Der Gerichtsentscheid ebnet Pfizer den Weg für die sofortige Markteinführung seines Produkts.
Mannigfaltige Wachstumstreiber
JP-Morgan-Analyst Michael Weinstein geht davon aus, dass der Wettbewerber das von der südkoreanischen Celltrion entwickelte Biosimilar mit dem Namen Inflectra bereits am 3. Oktober auf den Markt bringen wird. Er rechnet damit, dass der von ihm für 2016 erwartete Remicade-Umsatz von 5,45 Milliarden US-Dollar durch die wachsende Konkurrenz im kommenden Jahr um knapp 20 Prozent oder eine Milliarde Dollar auf 4,4 Milliarden Dollar sinken wird. Der Gewinn je Aktie dürfte durch die neue Konkurrenz seiner Ansicht nach um 20 Cent geschmälert werden.
Doch allen Unkenrufen zum Trotz: J & J verfügt im Pharmabereich über mannigfaltige Wachstumstreiber und ist dank Produkten wie dem Krebsmedikament Imbruvica und anderer Mittel sowie einer prall gefüllten Entwicklungspipeline nicht einzig von Wohl und Wehe seines Kassenschlagers abhängig. Stelara beispielsweise, ein Produkt gegen Hauterkrankungen, steigerte den US-Umsatz allein im abgelaufenen Quartal um knapp 50 Prozent auf 559 Millionen Dollar. Auch der Blutverdünner Xarelto von Bayer, an dem J & J die US-Rechte besitzt, zählt zu den Hoffnungsträgern. Laut einer EY-Studie soll er bis 2022 führend unter den Blutverdünnern sein.
Analyst Weinstein bescheinigt den übrigen Produkten der Pharmasparte ebenfalls ausreichend Wachstumspotenzial, um drohende Remicade-Einbußen auszugleichen. Er geht davon aus, dass die Pharmasparte von J & J im laufenden Jahr organisch um zehn Prozent und 2017 um weitere sieben Prozent wachsen kann. Als Kursziel für die J & J-Aktie nennt er 128 Dollar.
Auch für Zukäufe könnte die Zeit bald wieder reif sein, immerhin hat der im Dow Jones notierte Konzern schon seit Jahren keine Großakquisition mehr getätigt - verfügt aber über ausreichend liquide Mittel. Und Finanzvorstand Dominic Caruso bekundete bei Vorlage der Zwischenbilanz grundsätzliches Interesse an attraktiven Zukäufen. Spannende Produkte gebe es in der Kardiologie - allerdings seien die Preise nicht attraktiv. Zuletzt hatte J & J im Konsumgüterbereich aufgestockt: Bei seiner letzten Shoppingtour schnappte er dem deutschen Konkurrenten Henkel den Shampoohersteller Vogue International vor der Nase weg. Und ließ damit Spekulationen über einen möglichen Verkauf der - in der Vergangenheit schwächelnden - Sparte verstummen.
Im dritten Segment setzt J & J auf medizinische Artikel wie künstliche Hüften und Fäden für Wundnähte, sie trugen 2015 mit 36 Prozent etwa 25 Milliarden Dollar zum Gesamtumsatz bei. Trotz einiger Hürden - zu denen immer wieder auch Rechtsstreitigkeiten und drohende Klagen zählen - ist der Mischkonzern aus Brunswick als eines der teuersten Unternehmen weltweit offenkundig in sehr stabiler Position gut aufgestellt. Um dorthin zu gelangen, hatte er im vergangenen Jahr weltweit 3000 Stellen gestrichen und eigene Aktien für zehn Milliarden Dollar zurückgekauft.
Stabilität ist auch das Stichwort in Sachen Dividende: Seit 54 Jahren erhöhte J & J, seit 1944 börsennotiert, kontinuierlich die Ausschüttung an seine Aktionäre und zählt damit zu den sogenannten Dividendenaristokraten, also Unternehmen, die seit mindestens 25 Jahren ihre Dividende jedes Jahr gesteigert haben. Für das laufende Jahr werden insgesamt 3,20 Dollar je Aktie ausgekehrt.
Als Konsumwert steht J & J, seit 2012 unter der Führung von Vorstandschef Alex Gorsky stärker in Richtung Pharmageschäft drängend, ohnehin bei vielen als defensives Investment auf dem Kaufzettel. Die wachsende Pharmasparte bringt nun noch mehr Stabilität. Schnelle, große Sprünge sind mit J & J kaum zu machen, dafür sichert der Konzern das Depot mit Babypuder und Penaten-Creme, Medizinprodukten und Medikamenten zuverlässig gegen Abstürze an den Märkten ab.