RWE-Anleger sind arm dran. Im laufenden Jahr hat das Papier des Energiekonzerns bereits 47 Prozent verloren und damit so viel wie kein anderer Titel im DAX. Selbst Konkurrent E.ON kommt "nur" auf ein Minus von 31 Prozent. Dahinter folgt die Lufthansa mit einem Kursverlust von 21 Prozent. Woher also stammt die große Differenz?

  • Im Gegensatz zu den anderen Unternehmen im deutschen Leitindex vermischen sich die zahlreichen Belastungsfaktoren von RWE zu einem börsentechnischen Giftcocktail. Während die meisten Konzerne mit durchaus lösbaren Problemen zu kämpfen haben, steckt der zweitgrößte deutsche Versorger in einer waschechten Existenzkrise.


  • Die Energiewende stellt das komplette Geschäftsmodell von RWE auf den Prüfstand. Aus diesem Grund hat Vorstandschef Peter Terium einen Konzernumbau eingeleitet. Doch viele Anleger sind verunsichert, wohin diese umstrittende Strategie führen wird. Sicher ist, dass Terium diverse Tochterfirmen miteinander verschmelzen will. Damit schlägt er einen anderen Weg ein als Johannes Teyssen, der den Rivalen E.ON aufspalten und das Geschäft mit konventionellen Energieträgern wie Kohle, Gas und Atomenergie von dem mit erneuerbaren Energien trennen will.


  • Die Verunsicherung der Anleger verursacht dauerhaft fallende Aktienkurse. Bereits 2014 gehörte das Papier zu den Verlierern im DAX. Während der deutsche Leitindex 2014 im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent stieg, verlor der Versorgertitel im gleichen Zeitraum 3,6 Prozent. Damit belegte er Platz 20 im Gesamtranking. Seinen traurigen Tiefpunkt erreichte der Anteilsschein, als er kürzlich auf den tiefsten Stand seit 25 Jahren fiel.


  • Der Kursverfall wird durch zahlreiche skeptische Analystenkommentare beschleunigt. Laut Bloomberg liegt das aktuelle Konsensrating für bei 2,65. Damit gilt die RWE-Aktie als "schwacher Sell". Im Falle eines 3er-Ratings würde dem Papier eine Heraufstufung auf "Hold" winken, im Falle eines 2er Ratings würde eine Herabstufung auf "Sell" drohen.


  • Laut Experten droht Anlegern eine Dividendenkürzung, obwohl die Ausschüttung eines der letzten verbliebenen Argumente für die RWE-Aktie ist. Für das laufende Jahr rechnen die von Reuters befragten Branchenkenner im Schnitt mit 75 bis 85 Cent je Aktie, einige erwarten sogar nur 50 Cent. Für 2014 hatte der Konzern noch einen Euro gezahlt.


  • Die Krise in China erschwert die Rahmenbedingungen für RWE. Laut Experten ist der Konzern zwar kaum direkt betroffen, dennoch warnen sie davor, die Zweitrundeneffekte über Rohstoffpreise und Zinsen zu unterschätzen. Unabhängig von diesen Einschätzungen ist die Aktie seit Beginn des Börsencrashs in Fernost um 30 Prozent gefallen. Der DAX dagegen gab nur knapp zehn Prozent nach.


  • Die Charttechnik von RWE ist schwer angeschlagen. Bislang ist es dem Papier nicht gelungen, einen Boden zu bilden. Mehrere langfristige Widerstände wurden nach unten durchbrochen. Momentan ist nicht absehbar, ob und wann eine Trendwende einsetzt.




  • Zum Autor: Nikolaus Hammerschmidt ist seit mehr als dreieinhalb Jahren Online-Redakteur bei boerse-online.de. Er schreibt über Aktien, insbesondere (Rück-) Versicherer. Zudem verfasst er das wöchentliche "Leserinvestment" in der Heftausgabe.