Der Energiekonzern RWE geht derzeit davon aus, im laufenden Geschäftsjahr an das operative Ergebnis von 2021 anknüpfen zu können. RWE bestätigte am Dienstag die Mitte Februar erhöhte Prognose. Darin seien allerdings die "schwer abzuschätzenden" Folgen des Ukraine-Kriegs nicht enthalten, teilte der Dax-Konzern bei der Vorlage seiner endgültigen Geschäftszahlen für 2021 in Essen mit.
RWE hat keine Geschäftstätigkeiten in der Ukraine oder Russland. Jedoch könnten der weitere Verlauf des Kriegs, die Sanktionen gegen Russland und ihre Rückwirkungen auf die europäische Energieversorgung erhebliche Auswirkungen auf das Geschäft haben, teilte der Konzern mit. So könnte es dazu kommen, dass russische Rohstofflieferanten ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können. RWE gehört zu den Großkunden des russischen Gaskonzerns Gazprom und hat mit diesem einen langfristigen Liefervertrag. "Welche Auswirkungen die Ukraine-Krise auf den Kontrakt haben wird, ist unbestimmt", hieß es im Geschäftsbericht. "Sollte der Vertrag fortbestehen, haben wir die Möglichkeit, im Rahmen turnusgemäßer Preisrevisionen über Anpassungen der Konditionen an die aktuelle Marktlage zu verhandeln." In der Vergangenheit habe RWE so das Ergebnisrisiko wirksam begrenzt.
Im Risiko-Bericht verwies der Konzern darauf, dass russische Rohstofflieferanten wegen der Sanktionen gegen Russland ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könnten und RWE dann die Rohstoffe womöglich zu hohen Preisen am Markt beschaffen müsste. "Nicht auszuschließen ist, dass Vertragspartner wegen der Sanktionen insolvent werden." Zudem sei zu berücksichtigen, dass bei einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums auch die Stromnachfrage zurückgehen dürfte.
RWE warnt vor sofortigem Stopp von russischen Energielieferungen
"Sanktionen müssen so gewählt werden, dass sie auch durchgehalten werden können", sagte Krebber auf der Bilanzpressekonferenz laut Redetext. Energieimporte von Russland auszusetzen, hätte derzeit auf Grund der hohen Abhängigkeit massive Konsequenzen. "Ein sofortiger Stopp hätte ungeahnte Folgen für die Wärmeversorgung der Haushalte." Zudem dürfte eine längere Lieferunterbrechung die Produktionsanlagen der Industrie und des Mittelstandes nachhaltig schädigen.
Der Energiekonzern unterstützt die Bemühungen der Bundesregierung und der EU für eine größere Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Zugleich müsse eine sichere Energieversorgung abgesichert werden, schrieb Vorstandschef Markus Krebber in dem am Dienstag veröffentlichten Geschäftsbericht 2021. "Dazu prüfen wir, welche RWE-Kraftwerke als zusätzliche Back-up-Kapazitäten infrage kommen. Außerdem wirken wir bei der Diversifizierung der Gasbeschaffung mit."
Braunkohlekraftwerke in der Prüfung
Der Konzern prüfe derzeit, ob bereits vom Netz genommene oder zur Stilllegung anstehende Kraftwerksblöcke aus Gründen der Versorgungssicherheit in eine Reserve übergeführt werden können. "Für RWE ist unstrittig, dass diese Maßnahmen nichts am grundsätzlichen Beschluss zum Kohleausstieg ändern", sagte RWE-Chef Markus Krebber am Dienstag laut einer Mitteilung in Essen.
Die Prüfung bezieht sich demnach bei Braunkohlekraftwerken auf den zum Jahreswechsel stillgelegten 300-Megawatt-Block in Neurath, auf Kraftwerke, die in diesem Jahr vom Netz gehen sollen (1500 Megawatt) und auf die, die sich zurzeit in einer Sicherheitsbereitschaft befinden (900 Megawatt). Bei der Steinkohle geht es um das Ende 2020 stillgelegte Kraftwerk Westfalen mit einer Kapazität von 800 Megawatt. "Es ist an der Bundesregierung zu entscheiden, ob diese Blöcke temporär genutzt werden müssen und in welchem Umfang sie etwa zur Reduktion des Gasverbrauchs eingesetzt werden sollen", sagte Krebber.
Prognose wird beibehalten
Nach derzeitigem Stand geht der Konzern davon aus, an das Ergebnis aus dem Vorjahr mindestens knapp herankommen zu können. Laut der Mitte Februar erhöhten Prognose für 2022 soll das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) 3,6 bis 4 Milliarden Euro erreichen. Der Beitrag des Kerngeschäfts soll sich auf 2,9 bis 3,3 Milliarden Euro belaufen. Das wäre in jedem Fall mehr als 2021. Zum Kerngeschäft zählen bei RWE der Energiehandel, die Segmente Off- und Onshore von Wind und Solar sowie Wasser, Biomasse und Gas.
Positive Effekte seien von der Inbetriebnahme neuer Windparks und Solaranlagen zu erwarten. Außerdem unterstellt der Versorger eine bessere Auslastung seiner Windparks. Außerhalb des Kerngeschäfts wird das Ergebnis hingegen wohl zurückgehen. Hier schlägt sich der Abbau von Erzeugungskapazitäten nieder, also beispielsweise der Schließung von Kraftwerken.
Im vergangenen Jahr hatte das schwache Windaufkommen auf das Ergebnis gedrückt. Der Energiehandel und höherer Ergebnisbeiträge aus der konventionellen Stromerzeugung waren hingegen deutlich angezogen. So konnte RWE die eigenen Erwartungen übertreffen. So hatte der größte deutsche Stromerzeuger dank Zuwächsen im Handelsgeschäft und beim Betrieb von Kohle- und Gaskraftwerken sein bereinigtes Ebitda auf 3,65 Milliarden Euro nach zuvor 3,29 Milliarden Euro gesteigert. Gut drei Viertel davon entfielen auf das Kerngeschäft. Der bereinigte Überschuss kletterte auf 1,57 Milliarden Euro nach 1,26 Milliarden Euro vor Jahresfrist. Ende Januar hatte RWE bereits vorläufige Zahlen herausgegeben. Die Aktionäre sollen wie angekündigt für 2021 eine Dividende von 90 Cent je Aktie erhalten nach zuletzt 85 Cent. Für 2022 will der Versorger die Dividende stabil halten.
Einschätzung zur RWE-Aktie
Die RWE-Aktie verlor am Dienstag im frühen Handel in einem schwachen Marktumfeld rund 1,9 Prozent.
Angesichts der bereits bekannten Daten habe das Zahlenwerk des Energiekonzerns wenig Überraschungen geboten, schrieb Analyst Vincent Ayral von der US-Investmentbank JPMorgan in einer am Dienstag vorliegenden Schnelleinschätzung. Zahlen und Ausblick gestalteten sich unterdessen solide. Sein Kollege von Goldman Sachs, Alberto Gandolfi, betonte, derzeit übersehe der Markt das Potenzial, das sich aus den Investitionen des Energiekonzerns in Erneuerbare Energien im Inland ergebe.
Wir sind ebenfalls optimistisch und empfehlen die RWE-Aktie zum Kauf.
dpa-AFX/rtr/fh