Der Versorger RWE wird am Donnerstag seine Neunmonatszahlen präsentieren. Die meisten Analysten rechnen mit einem neuerlichen Gewinneinbruch. Denn vor allem im Stromerzeugungsgeschäft verdient der zweitgrößte deutsche Energiekonzern kaum noch Geld. Die zunehmende Verbreitung von Ökostrom und Überkapazitäten auf dem europäischen Markt machen den Essenern schwer zu schaffen. Zwar ist der Konzern inzwischen auch verstärkt auf erneuerbare Energien umgeschwenkt, noch wirft das Windgeschäft aber nicht das große Geld ab. "RWE muss seinen Platz in Richtung Energiewende noch finden", meint Analyst Ingo Becker von Kepler Cheuvreux.

BÖRSE ONLINE traf den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Rolf Martin Schmitz, um ihn zu den Windenergie-Aktivitäten, den geplanten Kraftwerkabschaltungen und zur Entwicklung der Stromgroßhandelspreise zu befragen.

Beim "Fra-Medientreff" haben Sie über Großprojekte als kommunikative Herausforderung gesprochen. Welche Großprojekte machen RWE Sorgen?
Es gibt mehrere Großprojekte, bei denen nicht ausreichend Akzeptanz vorhanden ist. Das betrifft vor allen Dingen den Netzausbau - da, wo es um breite Trassen oder um die Platzierung größerer Konverter geht. Aber auch im Wind-Onshore-Bereich sehen wir Widerstände.

Wie stark stocken die Offshoreprojekte?
Offshore macht nur einen Teil unserer Aktivitäten aus, hier kommen wir aber planmäßig voran. Neben unseren bestehenden Aktivitäten in Großbritannien und Belgien haben wir derzeit zwei Projekte mit einer Gesamtleistung von circa 900 Megawatt im Bau. Wir haben allerdings nur begrenzte Mittel zum Ausbau der erneuerbaren Energien und suchen daher Partner für die gemeinsame Umsetzung. So haben wir jüngst 85 Prozent der Anteile an den Ausbaustufen der Offshoreanlage Nordsee an einen kanadischen Investor veräußert.

RWE hat angesichts der stark gesunkenen Strompreise die Abschaltung von Kraftwerkkapazitäten angekündigt. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?
Der Ausbau der erneuerbaren Energien nimmt den konventionellen Kraftwerken zunehmend Einsatzzeiten. Gleichzeitig befinden sich die Großhandelspreise für Strom seit geraumer Zeit auf sehr niedrigem Niveau. Diese Marktsituation hat konkrete Folgen für unser Kraftwerksportfolio. RWE hat bis heute die Stilllegung beziehungsweise das Einmotten von rund 9000 Megawatt Kraftwerkkapazität in Deutschland und den Niederlanden beschlossen. Dies betrifft Steinkohle- und Gaskraftwerke ebenso wie ein Braunkohlekraftwerk. Darüber hinaus werden in Großbritannien aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen bis 2015 rund 5000 Megawatt Kraftwerkkapazität stillgelegt. Diese Entwicklung trifft die gesamte Branche. Rund 50 Kraftwerke sind laut Bundesnetzagentur in Deutschland zur Stilllegung angezeigt. Das zeigt, wie dringend notwendig es ist, über ein neues Marktdesign in der konventionellen Stromerzeugung zu sprechen. BDEW und VKU haben hierzu das Modell des dezentralen Leistungsmarkts entwickelt, das die Bereitstellung gesicherter Leistung durch konventionelle Kraftwerke honoriert.

Wie groß ist die Gefahr, dass RWE in Turbulenzen gerät und das Geld knapp wird?
Derzeit bestimmen die Probleme in der konventionellen Stromerzeugung die Schlagzeilen. Das ist ein Branchenproblem. RWE steht aber auf vier Säulen - neben der Erzeugung stehen Vertrieb und Netze, die Erneuerbaren sowie der Energiehandel. Diese Säulen sind stabil.

Ist bei den Stromgroßhandelspreisen eine Wende in Sicht?
Wir verkaufen den Strom ja mehrere Jahre im Voraus. Leider sehen wir da momentan keine Bewegung im Markt.

Wollen Sie dem Beispiel von Eon folgen und neue ausländische Absatzmärkte erschließen, um sich vom schwierigen deutschen Markt unabhängiger zu machen?
Wir konzentrieren uns auf die Länder, in denen wir uns gut auskennen - also Großbritannien, Benelux, Mittel- und Osteuropa. Da wollen wir eine starke Rolle spielen und gute Arbeit leisten.

Eine Expansion außerhalb Europas ist also nicht geplant?
Wir schauen uns kleine Nischen an. Oberste Priorität hat zurzeit die Konsolidierung.

Sind Sie da auf gutem Weg?
Auf jeden Fall. Unser Effizienzprogramm greift und wird am Kapitalmarkt gut aufgenommen.

Auf Seite 2: Aktie ohne Energie



Was den einstigen Platzhirschen IBM und Nokia widerfuhr, könnte bald auch RWE drohen: die komplette Änderung des Geschäftsmodells. Der zweitgrößte deutsche Energiekonzern steckt in der größten Krise seiner Geschichte. Der Gewinn bricht zunehmend weg, weil sich die konventionellen Kraftwerke nicht mehr rechnen. 2013 machte RWE erstmals einen Nettoverlust. Im zweiten Quartal gab es nur einen Miniüberschuss von 91 Millionen Euro.

RWE-Chef Peter Terium fordert eine Revolution. Der Konzern müsse sich zum dezentralisierten, flexiblen Energiemanager wandeln. Der Umbruch hat bereits begonnen. Immer mehr Kraftwerke werden dichtgemacht. Beim Abstoßen von Unternehmensteilen, die nicht mehr zum Kerngeschäft gehören, kommt RWE aber so nicht recht voran. Selbst der Verkauf der lukrativen Ö- lund Gastochter Dea droht am Widerstand der britischen Regierung zu scheitern.

Die Jahresziele dürften dennoch erreicht werden, glauben die meisten Analysten. RWE peilt ein Nettoergebnis von 1,2 bis 1,4 Milliarden Euro an. Die Erholungstour der Aktie geriet zuletzt jedoch ins Stocken. Auf Jahressicht notiert das Papier noch leicht im Plus. Die meisten Analysten beurteilen die Aussichten skeptisch. Neun von 23 Experten raten zum Verkauf, nur sechs zum Kauf. Fraglich ist, ob RWE auch künftig seine gro.zügigen Dividendenversprechungen einhalten kann. Für 2014 soll erneut ein Euro je Aktie ausgeschüttet werden.